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Gibt es ein Recht auf Dampfturbinenbau?

■ US-Konzern unterliegt vor Berliner Gericht mit Klage wegen Diskriminierung

Berlin (taz) – Je freier der Weltmarkt, desto mehr Arbeit bekommen offenbar staatliche Stellen. Seit Jahren schon schwelt zwischen der US-Regierung und der EU ein Streit um die öffnung der Märkte beiderseits des Atlantiks. Und immer geht es, jenseits der aufgeblasenen Rhetorik, letztlich nur darum, ob EU-Konzerne des Transport- und Energiesektors in den USA zum Zuge kommen oder umgekehrt die US-Konzerne General Electric Corporation (GE) Dampfturbinen und ATT Telekommunikationsgeräte in der EU verkaufen können. Gegen Siemens und ABB, die Hoflieferanten deutscher Energiekonzerne, konnte sich, zum Ärger des US- Handelsbeauftragten Mickey Kantor, GE noch nie durchsetzen.

Am Dienstag nachmittag nun mußte sich erstmals ein deutsches Gericht in Berlin mit der Dampfturbinen-Auftragsvergabe befassen, nachdem GE wieder einen Auftrag in der Größenordnung von 400 Millionen Mark nicht bekommen hatte: Dampfturbinen für die 800-Megawatt-Blöcke des Braunkohlekraftwerks Lippendorf bei Leipzig. Die Vereinigte Energiewerke AG (Veag) hatte in der Schlußrunde nur noch mit ABB, Siemens und MAN verhandelt und schließlich ABB den Zuschlag gegeben. Nur weil sie die Hoflieferanten seien, klagten die GE-Anwälte. Das sei nach einer Vereinbarung der EU mit den USA Diskriminierung, die Ausschreibung müsse wiederholt werden. Die Veag konterte kühl: ABB und Siemens hätten bessere Technik für weniger Geld angeboten. „ABB war wirklich im Preis um Längen günstiger“, versicherte Veag-Geschäftsführer Gerhard Bräunlein. Und auf eine Liste von Mängeln sei General Electric nicht eingegangen.

Von Ausländerdiskriminierung könne keine Rede sein: ABB sei ein schweizerisch-schwedischer Konzern, außerdem hätte ABB bei einem ähnlichen Auftrag im US-Hinterhof Kolumbien ebenfalls gegen GE gewonnen. Das Gericht war nach den Worten der Vorsitzenden Richterin Christel Hengst der Ansicht, daß die entsprechende Richtlinie der Europäischen Union über das Verfahren bei der Auftragsvergabe nur der ausschreibenden Firma Pflichten auferlege. Ein Unternehmen, das sich diskriminiert fühle, habe grundsätzlich keinen Anspruch auf Wiederholung des Ausschreibungsverfahrens.

General Electrics hätte statt dessen eine Vergabeprüfstelle anrufen können. „Daß sie das nicht tun, zeigt doch auch, daß die Vergabe in Ordnung war“, meinte gestern Veag-Bräunlein. General Electric hat nun die Chance, gegen das Urteil Berufung einzulegen. (Az. 16 O 660/94). Donata Riedel

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