Die Kriegsverbrecher-Kaserne

■ Erst nach neuerlichen Gutachten will Volker Rühe über Umbenennung der Generaloberst-Dietl-Kaserne entscheiden

Bonn/Berlin (taz) – Über die Umbenennung der umstrittenen „Generaloberst-Dietl-Kaserne“ in Füssen wird frühestens Ende dieses Jahres entschieden. Das sagte ein Sprecher des Bonner Verteidigungsministeriums der taz. Bundeswehrchef Volker Rühe (CDU) will erst die Ergebnisse eines straf- und völkerrechtlichen Gutachtens von Hardthöhen-Juristen abwarten. Um die nach dem Hitler-Gefolgsmann Dietl benannte bayerische Kaserne gibt es seit 1988 heftigen öffentlichen Streit.

Die Veröffentlichung des Gutachtens war zunächst für den Herbst angekündigt worden, wurde aber aufs Jahresende verschoben. Abwarten und Gutachten in Auftrag geben scheint das Motto auf der Hardthöhe zu lauten. Denn in Sachen Dietl ist das juristische Gutachten bereits der zweite Prüfungsauftrag: Schon seit mehr als einem Jahr liegt ein – bislang unveröffentlichtes – historisches Gutachten des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes der Bundeswehr vor. Dieses stellt fest, daß keinerlei Anzeichen dafür vorlägen, daß sich Dietl jemals vom Nazi-Regime losgesagt oder auch nur Kritik geäußert habe. Mit der erneuten Verzögerung habe sich die CDU „über den Wahltag gerettet“, sagt SPD-Verteidigungsexperte Walter Kolbow.

Dem Nazi-General Dietl, Parteimitglied seit 1919, fanatischen Antisemiten und Durchhalte-Redner, waren im Zweiten Weltkrieg Feldstraflager in Finnland unterstellt, in denen es zu Greueltaten und massenweisen Morden kam. Gefangene der Wehrmachtstraflager wurden unter anderem durch Gewaltmärsche systematisch umgebracht. Der Menschenschinder Dietl selbst starb 1944 bei einem Flugzeugabsturz.

Trotz einer entsprechenden Empfehlung des Petitionsausschußes des Bundestages haben sich Verteidigungsminister Volker Rühe und Generalinspekteur Klaus Naumann bislang nicht zu einer Umbenennung durchringen können. Dagegen sind auch die Gemeinde Füssen und die örtliche Kasernenleitung.

Es sei absurd und unverständlich, so Kolbow zur taz, daß sich die die Bundeswehr traditionsmäßig sowohl auf den 20. Juli als auch auf einen überzeugten Nazi wie Dietl berufe. Er fordert, daß alle Kasernen, die nach Nazis benannt sind, umbenannt werden müssen.

Insgesamt tragen noch 30 Kasernen die NS-„Traditionsnamen“ von Wehrmachtsoffizieren. Antifaschistische Intellektuelle wie Inge Aicher-Scholl, Ralph Giordano und Gerhard Zwerenz haben dagegen immer wieder vergeblich protestiert. Hans-Hermann Kotte