Haase bremst Semtix aus

■ Verkehrssenator: Semesterticket soll teurer sein als jetzige Ost-Monatskarte / Vorschlag nicht mit BVG abgestimmt / Sollen Studierende die leeren Kassen füllen?

Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) gefährdet „das bisher von allen Seiten gewünschte Modell eines Semestertickets“. So jedenfalls interpretiert Florian Böhm von „Semtix Berlin-Brandenburg“ die Presseerklärung des Senators, in der er für das BVG-Ticket einen Preis von 205 Mark je Semester nannte.

„Semtix“ ist die Koordination der Verkehrsgruppen an den Berliner Hochschulen, die sich um die Einführung eines Semestertickets bemühen, wie es bereits in einigen westdeutschen Städten existiert. Alle Studierenden bezahlen dabei mit dem Sozialbeitrag den Fahrschein für das ganze Semester. So sollen sie einerseits zum Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr bewegt werden und andererseits, die Masse macht's, in den Genuß einer zusätzlichen Ermäßigung kommen.

Doch gerade daran hapert es bei dem von Haase genannten Preis, der auf das Jahr umgerechnet 410 Mark beträgt. Zur Zeit zahlen Berliner Studierende im Osten 400 und im Westen 450 Mark für ihr Jahresabo, das zudem in zehn Monatsraten abgebucht wird und nicht semesterweise im voraus zu bezahlen ist. Selbst wenn man berücksichtigt, daß Haase die zum Jahreswechsel geplante Preiserhöhung auf 470 und 510 Mark bei seinem Vorschlag schon berücksichtigt hat, fällt die Ersparnis nicht gerade üppig aus.

Derzeit haben nach Semtix-Angaben weniger als die Hälfte, nach den Zahlen der Verkehrsverwaltung rund zwei Drittel der Studierenden ein Ausbildungsticket. Bei einer nur minimalen Preisermäßigung würde also nach Einführung des für alle obligatorischen Semestertickets wesentlich mehr Geld in den Kassen der BVG klingeln als jetzt, rechnet Böhm vor: „Es hat den Anschein, daß Senatsverwaltung und BVG auf Kosten von Studierenden die leeren BVG-Kassen füllen möchten.“

BVG-Sprecher Wolfgang Göbel dagegen sagt, er habe erst aus der Presse von den Preisvorstellungen des Senators erfahren: „Wir haben noch keinerlei schriftliche Mitteilung von der Senatsverwaltung und warten auf eine derartige Stellungnahme.“

Haase hat kein Geld, so sein Sprecher Tomas Spahn, um die Lust der Studierenden auf ökologisches Verkehrsverhalten „weiter zu beflügeln. Die Studenten können nicht erwarten, daß sie zu weiteren Sondervergünstigungen kommen.“ Die Verpflichtung des Staates, den Studierenden in den Genuß eines Preisnachlasses kommen zu lassen, sei bereits mit dem herkömmlichen Azubi-Ticket „ausgeschöpft“, zumal bereits die Universitäten selbst öffentlich subventioniert würden. Weil weitere Zuschüsse ohnehin nicht zu erwarten seien, so Spahn, habe man den Vorschlag auch nicht eigens mit dem Finanzsenator abgestimmt.

In westdeutschen Städten liegen die Semester-Preise erheblich niedriger. In Darmstadt zahlen die Studierenden 40 Mark je Halbjahr, in Trier 122 Mark. In Hamburg, wo Semtix jetzt starten soll, sind zwar 199 Mark fällig – dort ist aber auch die normale Monatskarte erheblich teurer als in Berlin.

Bisher wiesen die Gerichte alle Klagen gegen den heilsamen Zwang zur ökologischen Fortbewegung zurück. Ob sie das bei einer derart geringen Preisermäßigung immer noch tun, scheint fraglich. Doch droht Semtix in Berlin schon auf einer früheren Stufe zu scheitern: Angesichts des nicht sozialverträglichen Preises, meint Florian Böhm, sei die geplante „Abstimmung unter den Studierenden aussichtslos“.

Warum die Verkehrsbetriebe in anderen Städten ihr Semesterticket so günstig anbieten können, vermag Haases Sprecher nicht zu sagen: „Vielleicht haben die noch Geld, wir haben keines.“ Ralph Bollmann