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Kunst im Dienst

■ Museumsangestellte der Berlinischen Galerie malen monochrome Bilder

Zuerst will Daniela S., 26, nicht reden. Doch dann sprudelt es förmlich aus ihr heraus. „Es war toll, ein Riesenspaß.“ Für die 29jährige Daniela L. war es „eine Abwechslung“, eine „neue Erfahrung“ und „gut“. Nur sehr aufgeregt sei sie gewesen. Der 52jährige Jürgen S. dagegen sieht darin „keinen Sinn“, gesteht aber immerhin ein, daß es „eine gute Idee war“. Ob er das nächste Mal, falls sich die Gelegenheit ergäbe, nicht doch mitmachen würde? Er bleibt dabei: „Nein“, und: „Na ja, man weiß ja nie.“ Rollentausch in der Berlinischen Galerie: In einem leergeräumten Ausstellungsraum des Martin-Gropius-Baus steht ein großer Arbeitstisch, an den Wänden lehnen Leinwände zum Trocknen. Seit dem 9. September malen Angestellte des Museums – Sachbearbeiter, Kunsthistoriker und Aufsichtspersonal – jeden Tag jeweils ein monochromes Bild. Öffentlich, vor Publikum. Vorgegeben sind Leinwandformat und Farbe, dann kann's losgehen. Bis zum Ende der Aktion am 28. Oktober werden insgesamt 44 Gemälde entstanden sein.

Initiiert hat das Ganze die 31jährige Berliner Künstlerin Maria Eichhorn, die damit den gewöhnlichen Museumsbetrieb gehörig auf den Kopf stellte. Und bisher fast ausnahmslos Begeisterung ausgelöst hat. „Es war eine große Freude“, erinnert sich die 59jährige Hedwig G. an den Tag, als sie an der Reihe war. Die Kollegen kamen und begutachteten ihr Werk, wie sie es zuvor schon bei allen anderen getan hatten.

Die Malaktion ist derzeit Gesprächsthema Nummer eins im Gropius-Bau. Auch beim Publikum hat Hedwig G., die zur Wachmannschaft der Berlinischen Galerie gehört, durchweg positive Reaktionen beobachtet. Wildfremde Menschen, die normalerweise jeder für sich stumm an der „großen Kunst“ vorbeidefilieren, kommen miteinander ins Gespräch, diskutieren, kritisieren.

Maria Eichhorn hält sich bei all dem im Hintergrund. Sie ist die Stichwortgeberin. Diejenige, die in bester Concept-art-Tradition nicht eine fertige Arbeit präsentiert, sondern nur Anleitungen gibt, um die Kunstkonsumenten so einmal aus der Reserve zu locken. In Frage gestellt werden soll dadurch – zumindest für einen kurzen Moment – das Verhältnis von Kunstwerk und Betrachter, ebenso wie die Rolle des Museums an sich. Eine simple Idee? Jedenfalls eine, die einem vor Augen führt, wie groß der Unterschied zwischen Theorie und Praxis tatsächlich sein kann. Das lebendige Museum, hier ist es. Ulrich Clewing

Berlinische Galerie, Stresemannstraße 110, im Martin-Gropius- Bau, Di-So 10-20 Uhr. Die Aktion läuft noch bis 28.10.

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