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Kaputte Pin-ups in Öl

■ "Dames chez Roth" - Zeichnungen von Natascha Kaßner in einem Puff in der Budapester Straße, eine halböffentliche Ausstellung im halböffentlichen Raum

Rosa-üppig wie eine Südseemuschel. Und ein Hund leckt daran. Die ganze Figur rosa. Rosarot im Cocktailfähnchen, hüpft sie auf Fliegenbeinchen über den Asphalt. Und vor der Hundeschnauze die rosig schwellenden Lippen ihrer „Vagina dentata“.

Seit drei Wochen hängt die Ausstellung im Puff. Wo vorher ein Agitationsplakat von „Hydra“ den Gummi propagierte, hängt jetzt eine Galerie von 21 kleinen Ölgemälden. In der Halböffentlichkeit des Bordells sieht die Künstlerin Natascha Kaßner den adäquaten Showroom für ihre Bilder. „Hier wird gearbeitet und gelebt, ohne die aseptische Künstlichkeit einer Ausstellung.“ Ihr Publikum: die Prostituierten der Agentur Roth, die Freier und eine Delegation des 17. nationalen Hurenkongresses.

Ein Appartement. Das große Bett. Die tools & toys. Kein Stückchen roter Samt. Ein Sofa. Sonst nix. Maximal zwei Frauen arbeiten jeweils hier, mit im Milieu seltener Arbeitsautonomie. Eine feine, kleine Einzimmerwohnung, ein schlichter, behaglicher Raum, den die satt colorierten Bilder zum illustren Kunstkabinett machen.

Als eine Prostituierte Kaßners Mitbewohnerin wurde, entstand auch die Idee, ihre Arbeiten chez Roth zu zeigen. Die 21 Ölportraits sind kleine, kaputte Pin-ups. Die Geile, die Verwegene, das Landei, die Gefährliche, die Nixe, die reuige Sünderin. Eine wie vom süffisanten Strich der Karikatur entstellte Galerie der Verworfenheit. Demimondän die Sujets, wird das ganze Kabinett durchs kleine Format nur mühsam in seiner Monströsität gedämpft. Als „kranke Infantin“ lümmelt eine Kindfrau trostlos in der Sofaecke. Oben im zinnoberroten Kleid, spotten untendrunter zwei balkenartige Pumps dreist den anatomischen Proportionen. Daneben die Frau mit den zwei Doggen, rechts und links von ihr, mit Krokodilsrachen und Zähnen wie Sägeblättern. Wem da Modiglianis Rot, Mary Cassatts transparente Frauchen oder Schieles geschraubte Leiblichkeit dämmert, die oder der liegt auch nur knapp daneben. Kaßners Skizzen halten dem Vergleich stand.

Absolventin der Hochschule der Künste Berlin, Meisterschülerin bei Valie Export, verzeichnet Kaßner in ihrem ×uvre fast exklusiv Arbeiten zu Versatzstücken weiblicher Sexualität. Nun bürgt ja der „bordellartige Betrieb einer Modelagentur“ als Ort kaum für authentische weibliche Erotik. Aber auch als Arbeitsplatz fernab des Klischees gehören Berührungen mit „echter Kunst“ nicht zum Geschäft. Zum käuflichen Sex gehört konventionell die Wichs- oder Hochglanzerotik, wie die zeitgeistige Artdekoration zur Zahnarztpraxis.

„Habe ich früher in verschiedenen Stellungen nur ein Stück Wand gesehen, oder den Gast, ist da jetzt eins von 21 Originalgemälden, was ich bei weitem vorziehe. Das verändert die ganze Atmosphäre meiner Arbeit“, resümiert Stefanie von Hydra.

Wenn am 29. Oktober die Finissage der Ausstellung gefeiert wird, ist auch Schluß mit dem Appartement in der gehobenen Wohnlage Budapester Straße – zermürbendes Resultat eines häßlichen Kleinkrieges. Es wurde Müll vor die Tür geschmissen, Klingelmännchen gespielt, der Aufzug lahmgelegt und schließlich die Kündigung erreicht. Derart belästigt und behindert geben die Frauen ihr Domizil schweren Herzens auf. „Es hat hier keine auffallenden, stöhnenden Orgasmen gegeben, keine lauten Parties, keinen Männerandrang, sondern einen absolut unauffälligen Ablauf“, so Stefanie. Halbwelt ist eben nie da, wo man sie sucht, sexuelle Dienstleistung nach wie vor ein Tabu, das unter moralischem Deckmantel in Randbereiche verbannt bleiben soll.

Nicht ohne Ironie hat Kaßner diesen Ort gewählt – last not least sind alle Bilder käuflich. Gudrun Holz

Die Ausstellung wird erst zur Finissage öffentlich präsentiert, am 29.10., um 20 Uhr, in der Budapester Straße 7-9, 6. Etage, Charlottenburg.

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