NRW-Opposition will Abgrund an Schlamperei bei Balsam-Pleite klären

■ CDU, FDP und Grüne fordern gemeinsam U-Ausschuß

Düsseldorf (taz) – Die nordrhein-westfälischen Oppositionsparteien im Düsseldorfer Landtag wollen jetzt die gravierenden Versäumnisse bei der staatsanwaltschaftlichen Ermittlung zur Balsam-Pleite durch einen Untersuchungausschuß aufklären. Schon Ende Oktober soll der Landtag nach dem Willen der in dieser Frage vereint agierenden schwarz- grün-gelben Opposition auf einer Sondersitzung den U-Ausschuß einsetzen. Das ist auch gegen den Willen der SPD-Mehrheit möglich. Der bisher vom Düsseldorfer Justizminister vorgelegte Untersuchungsbericht eines Sonderstaatsanwaltes aus Köln zur Balsam-Affäre läßt nach Auffassung der Opposition „wesentliche Fragen“ offen. Insbesondere sei die Aufklärung der „strukturellen Defizite“ bei der Behandlung des Falls „durch die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm und durch das Justizministerium außen vor geblieben“, kritisierte gestern der CDU- Oppositionschef Helmut Linssen. Weil Justizminister Rolf Krumsiek (SPD) sich dazu auch bei verschiedenen Sondersitzungen im Düsseldorfer Landtag ausgeschwiegen habe, müsse die Opposition jetzt auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zurückgreifen.

Nach Angaben des Konkursverwalters steht fest, daß bei der Balsam AG „systematisch seit mindestens zehn Jahren mit gefälschten oder verfälschten Auftragsbestätigungen, Rechnungen, Generalunternehmerverträgen und Kontoauszügen gearbeitet wurde“. Mitte der 80er Jahre verfiel das Management des einstmals größten Sportbodenherstellers der Welt darauf, der Wiesbadener Gesellschaft Procedo gefälschte Forderungen aus fiktiven Geschäften zu verkaufen. Das auf Vorfinanzierung spezialisierte Unternehmen verlor durch die kriminellen Geschäfte rund 1,96 Milliarden Mark. Ein Schaden von weiteren 474 Millionen entstand den deutschen Großbanken aus direkten Geschäften mit der Balsam AG. Erst nach einem Bericht des ZDF vom 31. Mai 1994 wurde die Bielefelder Staatsanwaltschaft aktiv. Seit dem 6. Juni sitzen sieben Personen in U-Haft. Den Bielefelder Staatsanwälten gingen aber schon 1986/87 von seiten der Finanzbehörden erste Hinweise auf die krummen Geschäfte zu. Im Dezember 1992 erhielt die Staatsanwaltschaft dann eine anonyme Anzeige, in der ein detailliertes Bild von den betrügerischen Machenschaften aufgezeigt wurde.

Beweise wurden jahrelang ignoriert

Dennoch geschah fast zwei Jahre lang seitens der Staatsanwaltschaft nichts. Im Gegenteil, ein erfolgreich ermittelnder Kommissar der Bielefelder Polizei wurde zurückgepfiffen und mit der Bemerkung des zuständigen Oberstaatsanwalts Schmiedeskamp zurechtgewiesen, er habe „vom Sachverhalt keine Ahnung“. Dabei förderte der Beamte eine Vielzahl von Beweisen zutage. Ein entsprechender Vermerk der Bielefelder Polizei erreichte Justizminister Krumsiek am 8.7.1994. Trotzdem teilte der Minister dem grünen Landtagsabgeordneten Michael Vesper am 26.7. schriftlich mit, von einer „verzögerlichen Bearbeitung“ des Balsam-Skandals könne keine Rede sein, da der Staatsanwaltschaft nur „pauschale Anschuldigungen“ vorgelegen hätten.

Diese Antwort war objektiv falsch. Das hat Krumsiek nach dem Bericht des Sonderermittlers selbst eingeräumt. Zurücktreten – wie von der Opposition gefordert – will er nicht. Er habe weder persönlich Fehler begangen, noch seien Mängel in der Organisation seines Hauses für das Versagen der Staatsanwälte verantwortlich. Durch die Einleitung von disziplinarischen Ermittlungen gegen einige Staatsanwälte glaubt er alles Nötige getan zu haben.

Doch mit solchen „Bauernopfern“ will sich die Opposition nicht zufrieden geben. Mit Hilfe des U-Ausschusses hofft sie nun aufklären zu können, wieso „sämtliche Kontrollmechanismen“ im Lande versagten. Auch nach dem Bericht des Sonderermittlers harrt nach den Worten von Vesper „ein Abgrund an Schlampereien“ der Aufhellung. Das Spiel Krumsieks, die Verantwortung auf ein paar Untergebene abzuschieben und sich aus der Verantwortung zu stehlen, wertet Vesper als einen Versuch, aus „einem Elefanten eine Mücke zu machen“. Walter Jakobs

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