■ Mecklenburg und die PDS-Debatte in der SPD
: Schwerin ist entschieden – das Dilemma bleibt

Gerade erst haben die Sozialdemokraten das monatelange Bombardement einer CDU-Kampagne überstanden, unter deren Druck Rudolf Scharping den Trennungsstrich zur PDS immer und immer wieder nachziehen mußte – und jetzt das. PDS-Techtelmechtel in Schwerin. Die Bonner Parteispitze macht Druck. Die Freude über die milde und perspektivreiche Wahlniederlage will sich Rudolf Scharping nicht durch regionale Sperenzien verhageln lassen. Doch weil die Mecklenburger, allen voran der eigensinnige Landesvorsitzende Ringstorff, trotzdem gerne mit der PDS sprechen möchten, die Bundes-SPD das nur schwer verbieten kann, gibt die Parteiführung Interpretationshilfe: Die Gespräche, so sie zustande kommen, dienen nicht der Anbahnung einer irgendwie gearteten politischen Zusammenarbeit. Ganz im Gegenteil. Sie dienen einzig dem Zweck, der PDS klarzumachen, daß es keine irgendwie geartete Zusammenarbeit zwischen den beiden Parteien geben wird, kann, darf und soll.

Das wiederum könnte man der PDS auch anders signalisieren. Aber die Gespräche, bei denen von vornherein feststeht, daß sie zu nichts führen werden, muß Ringstorff führen dürfen, um im Prozeß seiner erzwungenen Desillusionierung nicht vollends das Gesicht zu verlieren. Seit „Magdeburg“ träumte er immer wieder öffentlich davon, auch er werde, zumindest mit der passiven Unterstützung der PDS, Ministerpräsident werden. Als sich dann abzeichnete, daß die Bonner SPD ein Minderheitsexperiment in Schwerin nicht hinnehmen würde, wollte Ringstorff die PDS-Karte wenigstens noch als Druckmittel für die Koalitionsgespräche mit der Union nutzen. Doch den Bonnern war Scharpings Ruf, sein unbeschadetes Coming-out als Oppositionsführer wichtiger als Ringstorffs taktische Spielchen. Während der noch mit der PDS-Karte zu pokern versucht, erklären die Bonner Parteifreunde laut und deutlich, die Karte werde ohnehin nicht stechen. Jetzt will Ringstorff wenigstens noch mit der PDS reden dürfen. Einmal nur, ehrlich. Sonst steht er blöde da. Das wird er dürfen.

Die Sache in Mecklenburg ist entschieden. Das Bonner Kalkül, das im Fall Magdeburg den Ausschlag für die Minderheitsregierung gab, gibt jetzt den Ausschlag dagegen. Was damals als besonders schlimmes Übel beschworen wurde, die Große Koalition, gilt heute wieder als einzige Möglichkeit. Magdeburger Folgen: Die Bonner SPD ist aus dem Experiment klug geworden, Ringstorff ambitioniert. Jetzt muß er wieder auf den Teppich kommen, dann ist es gut.

Mitnichten. „Magdeburg“ ist der offensive, Schwerin der defensive Versuch der SPD, aus dem PDS-Dilemma auszubrechen. Doch weder in der Kooperation mit der PDS noch in der prinzipiellen Verweigerung liegt für die SPD eine wirkliche Perspektive in den neuen Ländern. Schon der Ansatz einer Zusammenarbeit erweist sich, zumindest für die Gesamtpartei, als hochgradig rufschädigend; doch auch von der Großen Koalition – gegen die einzige Opposition PDS – kann gerade die SPD nicht profitieren. Die PDS und ihre Zuwächse gehen weiter zu Lasten der Sozialdemokraten. Das wiederum freut die Union. Die Konkurrenz der beiden garantiert ihr die Dominanz im Osten.

Auf dieses Dilemma kann die SPD nicht wirklich reagieren. Anders als die Union, die nach 45 einen Teil der alten Eliten integrieren konnte, hat die SPD nach ihren Wahlniederlagen 1990 die Chance verpaßt, sich den SED-Mitgliedern zu öffnen. Doch was damals ein attraktives Angebot hätte sein können, wäre heute, nach der Renaissance der PDS, eher eine hilflose Geste. Sie müßte trotzdem kommen. Ansonsten bleibt der SPD kaum mehr als das Warten auf die Sprengkaft der PDS-internen Widersprüche. Das kann dauern. Vielleicht bis zur deutschen Einheit. Matthias Geis