Serbische „Öffentlichkeitsarbeit“ auf UN-Papier

■ Angeblicher UN-Hintergrundbericht zu Ex-Jugoslawien ist komplett gefälscht / Vereinte Nationen erwägen rechtliche Schritte gegen den Autor David A. Erne

Washington (taz) – Einige wunderten sich schon seit Wochen, was das Genfer Büro der Vereinten Nationen da in seinem „Bericht über die historischen Hintergründe des Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien“ an die Medien gab. In vielen Artikeln aber und in Diplomatenkreisen wurde auf den Bericht Bezug genommen. Klar, gibt doch das UN-Emblem und die Nennung des Vorsitzenden der UN-„Expertenkommission“, Professor M. Cherif Bassiouni, dem Bericht Authentizität.

Dabei hätte schon die Verwendung des Begriffes „Bürgerkrieg“ stutzig machen müssen. Noch keine UN-Stelle hatte den Krieg um Ex-Jugoslawien bislang so tituliert. Im offiziellen Abschlußbericht der Bassiouni-Kommission vom Mai war vielmehr durchgängig von einem „Aggressionskrieg“ die Rede. Auch die in der Einleitung gestellte Frage, ob im ehemaligen Jugoslawien überhaupt Kriegsverbrechen begangen worden seien, entspricht nicht dem Arbeitsauftrag der UN-Kommission. Von den Thesen des Autors David A. Erne ganz zu schweigen.

So heißt es in Ernes Bericht, die Ursachen des derzeitigen Blutvergießens auf dem Balkan lägen letztendlich im Zweiten Weltkrieg, als „die meisten Kroaten und Muslime faschistische Ustaša“ gewesen seien. Die Serben dagegen hätten „zwei patriotische Bewegungen“ unterstützt: Die „westlich orientierten“ Tschetniks des Generals Draža Mihailjević und Titos kommunistische Partisanen. Und dann beschreibt Erne ausführlich die Grausamkeiten der Ustaša, verliert aber kein Wort über die Verbrechen der Tschetniks wie die Ermordung der muslimischen Bürger der Stadt Foća. So etwas im UN- Bericht?

Zum aktuellen Konflikt geht es genauso weiter. Da heißt es etwa, der kroatische Präsident Franjo Tudjman habe vor Beginn des Krieges um Bosnien-Herzegowina „eine reine Hysterie“ unter den dortigen Kroaten erzeugt; sein serbisches Pendant Slobodan Milošević habe lediglich darauf reagiert. Daß der allerdings schon am 28. Juni 1988 den Einsatz von Waffen zur Verteidigung des Serbentums angedroht hatte, unterschlägt der Bericht genauso wie die dokumentierten Telefongespräche, in denen Milošević den bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić zur Aufnahme des bewaffneten Kampfes ermutigte.

So bekommt man immer mehr den Eindruck, hier habe ein serbischer Propagandist ein UN-Papier geschrieben. Und tatsächlich: David A. Erne ist Vizepräsident des „Serbischen Einheitskongresses“ der USA und als solcher zuständig für „Öffentlichkeitsarbeit“. Der angebliche UN-Bericht ist von vorne bis hinten gefälscht, wie die Genfer UN-Sprecherin Therèse Gastaud gestern bestätigte.

Nach Angaben der Sekretärin der inzwischen aufgelösten Bassiouni-Kommission war das „Dokument“ den Kommissionsmitgliedern bis vor kurzem nicht einmal bekannt. Bassiouni selbst hatte sich im August in einem Brief an Autor Erne dagegen verwahrt, „irgendwie“ mit dessen Werk in Verbindung gebracht zu werden und darauf hingewiesen, daß der Bericht ohne UN-Autorisierung in Umlauf gebracht worden sei.

Erne, der zu diesem Zeitpunkt gerade von einer Reise durch „die serbischen Territorien“ Ex-Jugoslawiens zurückgekehrt war, gab damals an, er wisse nicht, wie das Papier die Öffentlichkeit erreicht habe. Sein Bericht jedoch kursiert munter weiter. UN-Sprecherin Gastaud erklärte auf Anfrage der taz, ihre Organisation erwäge rechtliche Schritte gegen den Autor. Kemal Kurspahić