Der Weg ist frei: Ab nach Serbien!

■ Die ersten Flüchtlinge sind bereits abgeschoben / ai warnt vor „akuter Gefährdung“

Berlin (taz) – Nach der Lockerung des Embargos gegen Serbien und der Öffnung des Belgrader Flughafens sehen die Ausländerbehörden den Weg frei für Massenabschiebungen nach Serbien. In den Innenministerien der Länder laufen die Vorbereitungen dazu an. Bayern hat, völlig unbemerkt, seit der Lockerung der Sanktionen bereits sechs Flüchtlinge auf dem Luftweg nach Belgrad zurücktransportiert. Berlin prüft derzeit, wie man nicht nur in kleinen Schritten abschieben kann. Der erste Versuch gestern verlief nicht im Sinne der Ausländerbehörden: Die in einer Swissair-Maschine reservierten Plätze für eine serbische Flüchtlingsfamilie zur Abschiebung über Zürich nach Belgrad blieben frei. Die Flüchtlinge zogen es vor, gar nicht erst zu erscheinen. Bisher sind in den normalen Passagiermaschinen, die jetzt wieder Belgrad anfliegen, immer nur einige Plätze für die „Abschüblinge“ gebucht, aber, so hieß es gestern aus dem Berliner Innensenat, „daß wir nicht nur drei bis vier personenweise abschieben können, wenn das Problem Zigtausende betrifft, ist klar. Wir fangen aber schon mal an.“ Auch andere Bundesländer werden aktiv: Hessen will Anfang der nächsten Woche einen Erlaß über die Modalitäten der Abschiebung an die Ausländerbehörden verschicken. Baden-Württemberg, wo allein rund 10.000 Bürgerkriegsflüchtlinge aus Serbien und Montenegro leben, will „ziemlich zügig entscheiden“.

Rund 100.000 Flüchtlinge aus Serbien, so die Schätzungen, stehen auf der Liste der Abzuschiebenden. Darunter sind zahlreiche Kriegsdienstverweigerer und Deserteure sowie Albaner aus der serbischen Provinz Kosovo. Für sie galt schon seit Monaten kein Abschiebestopp mehr. Ihr Rücktransport nach Belgrad scheiterte aber an der praktischen Undurchführbarkeit: Die wegen des Embargos gekappten Verkehrsverbindungen sorgten für eine Galgenfrist. Seit die Belgrader Machthaber international wieder hoffähig geworden sind, sind auch die Abschieberouten wieder frei.

Vor dem Hintergrund der Vorbereitungen in den einzelnen Bundesländern hat amnesty international erneut vor zwangsweisen Flüchtlingsrückführungen nach Rest-Jugoslawien gewarnt. Angesichts der schwelenden Konflikte und der instabilen Lage seien einige der Betroffenen „akut gefährdet“. Laut amnesty gibt es eine Reihe von Hinweisen, daß in der nächsten Zeit mit verstärkten Sanktionen gegen serbische Kriegsdienstverweigerer zu rechnen sei. Besonders prekär sei die Lage im Kosovo. Dort sind nach Erkenntnissen der Menschenrechtsorganisation die polizeilichen Übergriffe seit Jahresanfang „drastisch gestiegen“. Ebenso wie der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen fordert auch amnesty eine sorgfältige Einzelfallprüfung für die Betroffenen, die der „verschärften Situation in Jugoslawien und der erhöhten Gefährdung Abgeschobener Rechnung trägt“.

Ein Großteil der Betroffenen wird auf seine Weise dieser „erhöhten Gefährdung“ Rechnung tragen: Sie werden versuchen, durch ein Asylgesuch zeitlichen Aufschub zu erlangen. Noch ein anderer Punkt könnte den Planern einer zügigen Abschiebung einen Strich durch die Rechnung machen: Die Lufthansa, die gestern erstmals nach drei Jahren die Flugverbindungen nach Serbien wiederaufnehmen wollte, bekam für ihre voll ausgebuchte Maschine überraschend keine Landeerlaubnis. Vera Gaserow

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