Bonn verstärkt Druck auf Vietnam

Heute trifft der vietnamesische Außenminister in Brüssel ein / Weil Hanoi Rücknahme von etwa 40.000 Vietnamesen aus der BRD verweigert, blockiert Bonn EU-Vietnam-Abkommen  ■ Von Hugh Williamson

Berlin (taz) – Die deutsche Bundesregierung blockiert die Unterzeichnung eines wichtigen Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Union und Vietnam. Damit will sie ihren Druck auf Hanoi verstärken: Die dortige Regierung soll endlich die Rückkehr der geschätzten 40.000 VietnamesInnen akzeptieren, die nach Bonner Ansicht kein Recht haben, in der Bundesrepublik zu leben. Die meisten sind ehemalige Gastarbeiter in der DDR oder anderen Warschauer-Pakt-Staaten. Viele haben vergeblich versucht, politisches Asyl zu erhalten.

Wie ein hochrangiger Beamter der Europäischen Kommission, der seinen Namen nicht genannt wissen wollte, gegenüber der taz sagte, verhindern die Vertreter Deutschlands seit August jeden Fortschritt beim geplanten Abkommen, der die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Beziehungen zwischen der EU und Vietnam institutionalisieren soll.

Vietnams Außenminister Nguyen Manh Cam wird heute in Brüssel erwartet, wo er sich mit dem für die Außenbeziehungen und Sicherheitsfragen zuständigen EU- Kommissar Hans Van den Broek und dessen für Entwicklungszusammenarbeit verantwortlichen Kollegen Manuel Marin treffen wird. Doch zu mehr als der Versicherung des gegenseitigen guten Willens wird es wohl kaum kommen: Die Gespräche über das Abkommen lägen effektiv auf Eis, sagt der EU-Beamte.

Das deutsche Außenministerium wollte diesen Vorwurf nicht offiziell kommentieren. Nahe Beobachter der Bonner Politik bestätigen jedoch, daß die Bundesregierung sich gegenwärtig als Bremserin der EU-Vietnam-Beziehungen betätigt, auch wenn dies keine amtlich formulierte Regierungspolitik sei.

Noch im Juli schien es, als ob die bereits mehrfach verschobene Unterzeichnung endlich vonstatten gehen konnte, nachdem ein Streit zwischen Vietnam und der EU über die Formulierung einer Menschenrechtsklausel beigelegt wurde.

Nach Ansicht der Bundesregierung stellt die Weigerung Hanois, die vietnamesischen StaatsbürgerInnen zurückzunehmen, einen Bruch des Völkerrechtes dar. Vietnam fordert finanzielle Hilfe zur Reintegration der RückkehrerInnen – ein entsprechendes Abkommen wurde bereits kurz nach der deutschen Einigung entworfen – und will keine Zwangsrückführungen akzeptieren. Die Bundesrepublik hat eine erzwungene Repatriierung bislang nicht grundsätzlich abgelehnt.

Nachdem Vietnam sich im August erneut weigerte, den deutschen Forderungen nachzugeben, verkündete Bonn im September die Suspendierung der Entwicklungshilfe, zugleich wurden die Ausfuhrbürgschaften für deutsche Firmen, die mit Vietnam handeln, zurückgezogen. In der Brüsseler EU-Kommission ist man nicht sehr glücklich über die Taktik Bonns, seine Probleme mit Vietnam über die europäische Ebene zu lösen. Der Auftrag und Inhalt des angestrebten EU-Vietnam-Rahmenabkommens schließe solch bilaterale Fragen nicht ein. Deshalb sei die deutsche Position unangemessen und bedauerlich, sagt der EU-Beamte. Er hoffe allerdings, daß es nun, nach der Bundestagswahl, Fortschritte gibt.

Vietnams Botschaft in Bonn wollte keinen Kommentar abgeben, da sie nicht offiziell über die Bonner Position informiert sei. Innerhalb der Regierung in Bonn ist man sich über das Vorgehen nicht einig: Innenminister Manfred Kanther (CDU) und Entwicklungsminister Carl-Dieter Spranger (CSU) unterstützen die Verknüpfung zwischen Hilfe, Handel und der Rückkehr vietnamesischer StaatsbürgerInnen. Sie halten dies für den direktesten Weg, Vietnam unter Druck zu setzen. Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) ist dagegen, weil eine solche Verknüpfung seines Erachtens deutschen Exporteuren schadet. Und Außenminister Klaus Kinkel (FDP) meint, eine solche Verbindung zwischen Handel und Diplomatie sei oft kontraproduktiv.

Vietnam ist sehr darauf bedacht, seine Geschäfte mit Europa zu verstärken. Bislang liegen die Europäer noch weit abgeschlagen in der Liste aller ausländischen Investitionen, die bis November 1993 insgesamt 6,8 Milliarden US-Dollar betrugen. Während aus Hongkong insgesamt 1,75 Milliarden US-Dollar kamen, liegt Frankreich mit 739 Millionen US-Dollar an der Spitze der europäischen Investoren. Deutsche Firmen hatten bis Ende 1993 23 Millionen Mark in Vietnam investiert.

Karsten Güntner, im Hamburger Ostasiatischen Verein für Vietnam zuständig, erklärte, ihm sei nichts bekannt über deutschen Druck in Brüssel. Aber er forderte Bonn auf, Handel nicht mit anderen Fragen zu verbinden: „Die zwei Themen Handel und Rückkehr der Vietnamesen sollten nicht in einen Topf geworfen werden.“ Beobachter der EU in Brüssel bestätigen jedoch, die Blockierungsmanöver der Deutschen seien gegenwärtig ein „heikles Thema innerhalb der Kommission“.