Anschlag auf Sri Lankas Opposition

■ 57 Tote bei Attentat auf einer Wahlveranstaltung des Präsidentschaftskandidaten Dissanayake / Täter noch unbekannt / Friedensgespräche mit tamilischen Separatisten der LTTE wurden unterbrochen

Colombo (dpa/taz) – Gut zwei Wochen vor den Präsidentschaftswahlen am 9. November ist in Sri Lanka fast die gesamte Oppositionsspitze einem Bombenanschlag zum Opfer gefallen. Die Regierung setzte die Friedensgespräche mit den tamilischen Rebellen aus und verhängte eine landesweite Ausgangssperre.

Am Ende einer Wahlveranstaltung in der srilankischen Hauptstadt Colombo detonierte ein Sprengsatz gestern kurz nach Mitternacht direkt vor der Bühne, auf der der Präsidentschaftskandidat der oppositionellen United National Party, Gamini Dissanayake, gerade seine Wahlrede beendet hatte. Mindestens 57 Menschen starben, darunter auch der 52jährige Dissanayake und 17 Sicherheitsbeamte. Mehrere Ex-Minister der Partei und ihr Generalsekretär kamen ebenfalls um. Etwa 100 Menschen wurden bei dem Anschlag zum Teil schwer verletzt.

Der Ort des Anschlags bot am Morgen ein Bild des Grauens. Der Kundgebungsplatz im Norden der Hauptstadt Colombo war übersät mit Leichenteilen und Trümmern des Podiums. Die Bombe war hochgegangen, als Dissyanake den letzten Satz – „Statt gute Nacht wünsche ich euch allen guten Morgen“ – beendet hatte und sich wieder setzen wollte. Ob sich der Täter oder die Täterin bei der Explosion selbst mit in die Luft gesprengt hat, wie es zunächst hieß, war gestern noch unklar. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Anschlags berief die neue Premierministerin Chandrika Kumaratunga eine Krisensitzung ihres Kabinetts ein.

Die Regierung verhängte eine Ausgangssperre über die ganze Insel und sagte gleichzeitig die ursprünglich für gestern vereinbarte zweite Runde von Friedensgesprächen mit den separatistischen „Befreiungstigern von Tamil Eelam“ (LTTE) in Jaffna im Norden Sri Lankas ab. Der Hintergrund der Absage war zunächst nicht deutlich: Zwar sprachen höhere Polizeioffiziere noch in der Nacht von Hinweisen auf eine Täterschaft der LTTE-Rebellen, doch den ganzen Montag über wurde der Verdacht nicht untermauert. In einer zweiten Krisensitzung beschloß die Regierung, alle Gesprächskontakte mit der LTTE so lange auszusetzen, bis die Untersuchung des Attentats abgeschlossen ist. „Wenn die Tamilentiger darin verwickelt sind, bedeutet dies einen Rückschlag für den Friedensprozeß“, meinte ein Militär. Nach vorliegenden Informationen sollen die Präsidentschaftswahlen trotz des Anschlags wie geplant am 9. November stattfinden. Sri Lankas Wahlgesetze schreiben vor, daß nach dem Tod eines Kandidaten innerhalb von drei Tagen ein neuer Kandidat benannt werden kann.

Seit 1988 sind mehr als ein Dutzend führende Politiker verschiedener Parteien in Sri Lanka getötet worden. Für die meisten Anschläge werden die LTTE und die singalesische Volksbefreiungsfront JVP verantwortlich gemacht. Premierministerin Chandrika Kumaratunga hat durch politische Morde ihren Vater, den ehemaligen Regierungschef S.W.R.D. Bandanaraike, und ihren Ehemann Vijaya Kumaratunga verloren. li

Kommentar Seite 10 und Portrait Seite 11