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Arbeitszeit wird immer flexibler

■ Angestelltenkammer-Tagung: Mehr betriebliche Regelungen

In einer Frage waren sich die Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgebern auf einem Kongreß schnell einig, den die Angestelltenkammer gestern im Bremer Mariott-Hotel zum Thema „Arbeitszeit – Flexibilisierung und Beschäftigungssicherung“ veranstaltet hat: Teilzeitbeschäftigte sind deutlich produktiver als diejenigen, die 38,5 oder 40 Stunden in der Woche arbeiten. Diese höhere Produktivität würde sogar ungefähr die Kosten ausgleichen, die durch höhere Sozialversicherungsbeiträge, bei der Personalverwaltung und durch Reibungsverluste beim Job-Sharing entstehen, meinten Helmut Schauer von der IG-Metall-Hauptverwaltung in Frankfurt und Klaus Perend von der Bundesvereinigung der Arbeitgeber.

Warum dann aber wirklich flexible Arbeitszeiten noch immer die große Ausnahme in deutschen Unternehmen sind, wurde auf der Tagung nicht recht klar. Lediglich Andeutungen waren zu hören. Da sind zum einen die Beschäftigten selber, die eher „einen Drang zu längeren Arbeitszeiten und Überstunden“ hätten und darin von den Gewerkschaften kaum zu bremsen seien, sagte Schauer. Und dann sind da die Unternehmer, die vor den organisatorischen Problemen bei flexiblen Teilzeitmodellen zurückschrecken.

Zumindest diese Sorge versuchten die Betriebsratsvorsitzende des Münchener Großkaufhauses Beck, Margaretha Riedel, und der Beck-Ressortleiter Joseph Maria Redl, zu zerstreuen. Selbst die in ihrem Haus bereits seit 1978 mögliche beliebige Auswahl einer Monatsarbeitszeit zwischen 60 und 160 Stunden sei „ohne größere Schwierigkeiten“ eingeführt worden. Redl: „Wir hatten das Glück, den Mehraufwand in der Verwaltung durch die parallel eingeführte EDV wettmachen zu können.“

So einfach wie in einem Kaufhaus sei die Flexibilisierung der Arbeitszeit in den meisten anderen Unternehmen allerdings nicht zu verwirklichen, hieß es auf der Tagung. So hätten zum Beispiel bei Siemens in München zahlreiche Bürokräfte ihre Teilzeit- wieder in Vollzeitstellen umgewandelt, nachdem sie merkten, daß sie die gleiche Menge an Schreibarbeiten lediglich in kürzerer Zeit erledigen sollten. Betriebsrätin Riedel: „Teilzeitangebote müssen mit konkreten Arbeitsplatzbeschreibungen verbunden werden, sonst führen sie bei den Beschäftigten schnell zu Überforderung.“

Doch trotz aller Einwände ist der Trend zur flexibleren Arbeitszeit unaufhaltsam. Entsprechende Vereinbarungen werden allerdings immer seltener bei den großen Tarifverhandlungen, immer öfter dafür direkt im Betrieb getroffen. „Die Diskussion entideologisiert sich“, resümierte Angestelltenkammer-Geschäftsführer Eberhard Fehrmann nach der Tagung. Ase

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