Beide Seiten rechnen fest mit dem Sieg

In der Schlußphase des Wahlkampfs in Mosambik wächst die Sorge, daß Streit ums Ergebnis dem Frieden ein Ende setzen könnte / Internationale Vermittler wollen Große Koalition  ■ Aus Maputo Willi Germund

Böswillige gegnerische Propaganda hätte nicht schlimmer sein können: Rücksichtslos drosch und trat die Gruppe von zehn Leuten in blau-weiß-rot gefärbten Stoffumhängen auf einen Mann in einem T-Shirt ein. Der Unterstützer der Regierungspartei „Frelimo“ hatte es unter den Augen der zehn Anhänger der ehemaligen Rebellenorganisation „Renamo“ gewagt, in Mosambiks Hauptstadt Maputo der Karawane des Renamo-Spitzenkandidaten Alfonso Dhlakama abfällige Bemerkungen hinterherzurufen.

Einen Tag später trat Mosambiks Präsident Joaquim Chissano in dem Ort Bohane auf, 30 Kilometer vor Maputo. Am Ende des Zuges schlugen Polizisten mit den Kolben ihrer AK-47-Gewehre auf einen Mann ein, den sie für einen Anhänger der Renamo halten. Erst als ein paar Kumpel, alles Mitglieder der Regierungspartei Frelimo, auftauchen, ließen sie von dem geschundenen Mann ab.

Das ist Mosambik vor den ersten Wahlen seiner Geschichte. Nach der Unabhängigkeit im Jahre 1975 herrschte zwischen der kommunistischen Frelimo-Regierung und der von Apartheid-Südafrika gestützten Renamo-Rebellenbewegung Bürgerkrieg. Im Herbst 1992 wurde in Rom ein Waffenstillstand geschlossen. Nun sollen die Wahlen am Donnerstag und Freitag den Friedensprozeß krönen.

Aber die Decke, unter der alte Feindseligkeiten schwelen, ist nur sehr dünn. Ein Sieg Chissanos und seiner Frelimo ist längst keine sichere Sache. Es scheint immer unwahrscheinlicher, daß ein Kandidat im ersten Wahlgang die vorgeschriebene absolute Mehrheit holt. Die einst wegen ihrer Brutalität berüchtigte Rebellenorganisation Renamo könnte sogar stärkste Fraktion im 250köpfigen Parlament werden.

UNO, EU und USA versuchen seit Wochen, Mosambiks Präsident Joaquim Chissano zu überzeugen, daß nur die Einigung auf eine Regierung der Nationalen Einheit die Spannungen mildern könnte. Seit vorgestern beraten die in Simbabwe versammelten Staatschefs des südlichen Afrika über die Frage. Sie fürchten eine Wiederholung der Ereignisse in Angola vor zwei Jahren, als Rebellenführer Jonas Savimbi seine Wahlniederlage nicht akzeptierte und der Bürgerkrieg wieder losging. In Maputo wird jetzt sogar auf einen Blitzbesuch des UNO-Generalsekretärs Butros Ghali spekuliert.

Die UNO hat in Mosambik viel Prestige und 4.000 Blauhelmsoldaten investiert. UNO-Sonderbeauftragter Aldo Ajello ist mittlerweile selbstkritisch: „Im Rückblick würde ich sagen, daß es ein Fehler war, innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung des Krieges Wahlen anzusetzen. Denn der ganze Friedensprozeß seit 1992 litt immer wieder unter den Wahlkampfkalkulationen der beteiligten Parteien.“

Die sind von Machtstreben gekennzeichnet. Militärexperten entdeckten während der letzten Monate illegale Waffenlager beider Seiten. Die unabhängige Presse veröffentlichte ein Dokument der brasilianischen PR-Firma „Vox Populi“, dessen Authentizität von der Regierung bestritten wird, worin von absichtlichen Stromausfällen bis zur Verteilung gefälschter Stimmzettel per Flugzeug aus der Luft Möglichkeiten zum Wahlbetrug aufgelistet sind.

Auf dem Gelände der Nationalen Wahlkommission CNE lagern 2,5 Millionen Stimmzettel zuviel – weil sich nur rund 80 Prozent der wahlberechtigten Mosambikaner registrieren ließen. Die Pakete stärken den Verdacht, daß bei den Wahlen geschummelt werden soll. Denn schließlich betreibt das Londoner Druckhaus De la Rey, das die Stimmzettel herstellte, zusammen mit Chissanos Ehefrau Marcelina das Nobelrestaurant „Ungumi“ in Maputo. Und schließlich ordnete die Regierung gegen die Bedenken der UNO und des Wahlrates die Auslieferung der überzähligen Stimmzettel an.

Das Verhalten der ehemaligen Unabhängigkeitsbewegung Frelimo kommt nicht unerwartet. Die Hardliner in der Gruppierung bestimmen seit Monaten die Politik. Chissano, ehemaliger Frelimo-Sicherheitschef, bootete selbst die populäre Graça Machel, Witwe des Unabhängigkeitshelden Samora Machel, aus und ließ sie von der Kandidatenliste fürs Parlament streichen. Aber auch auf Renamo-Seite herrscht keine Einigkeit. Zwar erklärt der 36jährige Alfonso Dhlakama immer wieder: „Mosambik wird kein zweites Angola“, und beteuert: „Ich kenne den Buschkrieg, ich habe keine Lust mehr, in den Busch zurückzukehren“, aber Dhlakama ist ein recht unerfahrener Akteur auf dem politischen Parkett. Zeit seines Lebens führte er vor allem Krieg. Vor dem Friedensschluß absolvierte er zunächst einen Englisch-Intensivkurs in der Schweiz – dort wurden dem Buschkämpfer auch die nötigen Umgangsformen beigebracht.

Inzwischen schicken Ausländer ihre Angehörigen außer Landes, und auch die Mosambikaner, die das nötige Geld besitzen, schaffen ihre Kinder in Nachbarländer. Beobachter glauben zwar, daß weder Renamo noch Frelimo den Bürgerkrieg wiederaufnehmen können – beiden Seiten fehlt das Geld. Aber Frelimos Funktionäre haben sich bisher nicht mit dem Gedanken anfreunden können, unter Umständen die Wahl zu verlieren. Einer der Sprüche von Dhlakama beruhigt auch nicht gerade: „Wir haben schon gewonnen“, sagt er, „jedes andere Ergebnis wird Betrug sein.“