Deutsche Seelenverkäufer

■ Verfassungsklage gegen das „Zweitregister“ für deutsche Schiffe

Bremen (taz) – Das „Zweitregister“ für Schiffe unter deutscher Flagge ist menschenunwürdig und gefährdet die Sicherheit der Schifffahrt – über diese Klage der Gewerkschaften ÖTV und DAG sowie der Länder Bremen und Schleswig-Holstein verhandelte gestern das Bundesverfassungsgericht. Das 1989 eingeführte sogenannte Zweitregister ermöglicht deutschen Reedern, Seeleute aus Billiglohnländern zu den dort geltenden Tarifen anzuheuern. Damit, so hoffte der Gesetzgeber, würden die Reeder ihre Schiffe nicht mehr unter Billigflaggen wie der panamesischen oder liberianischen fahren lassen und statt dessen ihre Steuern an den deutschen Fiskus zahlen. Eine Entscheidung der Verfassungsrichter über die Rechtmäßigkeit des Zweitregisters wird noch vor Jahresende erwartet.

Das Zweitregister könne ohnehin nicht verhindern, daß deutsche Schiffe unter fremden Billigflaggen fahren, glaubt die ÖTV. Von insgesamt 695 Handelsschiffen unter deutscher Regie fahren 408 unter fremder Flagge, 256 im Zweitregister und nur noch 31 nach deutschen Tarifbestimmungen.

Die Kläger monieren, das Zweitregister-Gesetz führe zu Verstößen gegen Grundrechte: Deutsche Matrosen hätten an Bord deutscher Schiffe praktisch Berufsverbot, ausländische Matrosen dürften deutschen Gewerkschaften nicht beitreten, gleichen Lohn für gleiche Arbeit gebe es nicht. Ausländische Seeleute würden „wie Sklaven“ behandelt, die Sicherheit auf See sei nicht mehr gewährleistet. Für den Verband deutscher Reeder dagegen ist das Zweitregister weiterhin notwendig: garantiert es doch neben einer billigen Flotte auch obendrein Subventionen aus deutschen Steuertöpfen. Daran aber wollen auch die Kläger nicht rütteln, im Gegenteil: Nötig, so der Bremer Häfensenator Uwe Beckmeyer (SPD), seien „verbesserte Finanzbeiträge“ und steuerliche Erleichterungen für die Reeder. Bernhard Pötter