Ringstorff bald von den Socken?

Schweriner Modell: Vor der Wahl signalisierte die Bonner SPD Zustimmung – vor den Verhandlungen mit der PDS wird der Druck der Scharping-Troika gegen Rosa-Rot immer größer  ■ Aus Schwerin Christoph Seils

Ist er ab, oder ist er nicht ab, so lautet seit zwei Tagen die wichtigste Frage im Schweriner Schloß, dem Sitz des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern. Nicht nur politisch hat sich Harald Ringstorff in die Finger geschnitten. Mit seiner linken Hand war der SPD- Chef und Möchtegern-Ministerpräsident am Sonntag beim Heimwerkeln in die Kreissäge geraten – und was sind schon so läppische Fragen wie „Tolerieren oder koalieren?“ gegen einen abgesägten Finger. Doch mit schmerzverzerrtem Gesicht saß Ringstorff, die linke Hand dick verbunden, am Montag wieder an seinem Schreibtisch, um die Strategie für die gestern abend geplanten Sondierungsgespräche mit der PDS abzustimmen.

„Wir haben die Wahl zwischen Pest und Cholera“, so lautet auf den Gängen der SPD-Fraktion eine beliebte Umschreibung für das Dilemma der Sozialdemokraten, und je nachdem, ob das Wetter gut oder schlecht ist, scheinen viele Sozialdemokraten die Pest oder die Cholera vorzuziehen. Einmischung aus dem Westen kommt in den neuen Bundesländern nicht mehr gut an, und so haben die mecklenburg-vorpommerschen Sozis ihrem MP-Kandidaten am Wochenende demonstrativ den Rücken gestärkt. Wohl wissend, daß sich der Bonner SPD- Vorsitzende Scharping fast täglich telefonisch danach erkundigt, ob die Nordlichter auf die Bonner Linie einschwenken. Unmittelbar vor den ersten Sondierungsgesprächen warnte er vor dem „Riesenkrach“, den es geben werde, wenn es zur Kooperation zwischen SPD und PDS komme. Im Rundfunk ließ sich der Chef der Sozialdemokraten vernehmen: „Gott, die führen Gespräche, und mehr wird auch nicht geschehen. Das weiß ich sehr sicher.“

Harald Ringstorff, so heißt es in Schweriner SPD-Kreisen, hadere nicht nur wegen aktueller starker Worte mit seinen Bonner Parteifreunden. Das Ergebnis vom 16. Oktober vor Augen, habe Ringstorff vor den Bundestagswahlen bei der SPD-Troika um Rückendeckung für seine PDS-Option nachgesucht. Schröder und Lafontaine hätten ihm demnach Unterstützung signalisiert. So war Ringstorff am Wahlabend vorgeprescht, doch angesichts des knappen Bundestagswahlergebnisses wollten die letzten der Troikaner schon am Tag nach der Wahl nichts mehr davon wissen.

Für den parlamentarischen Geschäftsführer der SPD, Gottfried Timm, ist vor den Gesprächen mit der PDS noch „alles offen“, doch der Parteirat am Samstag hat letztlich doch die Weichen in Richtung Große Koalition gestellt. Der kleine Parteitag berief als viertes Mitglied den Oberbürgermeister von Rostock, Dieter Schröder, in die Sondierungskommission der SPD. In der von Walter Momper geführten SPD-AL-Koalition war Schröder Leiter der Staatskanzlei, und er saß im sogenannten Küchenkabinett, in dem an der Alternativen Liste vorbei die Eckpunkte der Momperschen Politik festgezurrt worden. Schröder ist nicht nur ein vehementer Befürworter einer Großen Koalition in Mecklenburg-Vorpommern, sondern hat auch gute Drähte in die Bonner Baracke. In der vierköpfigen Sondierungskommission der SPD sitzt mit Ringstorff offenbar nur ein einziger weiterer Befürworter einer SPD-Minderheitsregierung. Hieß es in der vergangenen Woche noch, in den Gesprächen mit der PDS sollten „Möglichkeiten einer Zusammenarbeit“ sondiert werden, will die SPD jetzt zunächst prüfen, ob die PDS auf dem „Boden der Demokratie und des Rechtsstaates steht“ und ob sie bereit ist, „die in der Partei noch bestehenden kommunistischen Strukturen zurückzudrängen“. Schon die passenden Sprachschablonen fürs schnelle Verwerfen eines Schweriner Modells?

Wie praktisch, daß Ringstorffs linke Hand in Mull gehüllt ist: So kann er jetzt schon dem historischen Händedruck mit der linken Konkurrenz aus dem Wege gehen.