Gegen die Zensur im Gottesstaat

■ Iranische Intellektuelle wenden sich in einem offenen Brief gegen die Zensur ihrer Werke

Berlin (taz) – In einer aufsehenerregenden Erklärung haben 134 iranische Intellektuelle an die Führung des Landes appelliert, Meinungsfreiheit und Menschenrechte zu respektieren und die Zensur abzuschaffen.

Die Unterzeichner werfen den Zensurbehörden vor, mit „frustrierenden Hindernissen, erniedrigender Behandlung und inakzeptablen Projekten“ Hürden für Veröffentlichungen von Autoren zu schaffen, die nicht den orthodox islamischen Vorstellungen entsprechen. Teilweise würden die Behörden ihnen nicht genehme Autoren und deren Werke in ihren eigenen Publikationen beleidigen.

„Andere wollen, daß wir gemäß ihren Kriterien handeln, denken und schreiben. Das ist inakzeptabel. Jeder Schriftsteller, Philosoph, Künstler, Lyriker etc. ist verantwortlich gegenüber seinem eigenen Werk“, heißt es in dem offenen Brief, der gestern in Teheran veröffentlicht wurde. Die Unterzeichner kündigten die Gründung einer unabhängigen Gewerkschaftsbewegung an, die ihre Interessen gegenüber dem Staat wahren und die Wiederherstellung der Meinungsfreiheit im Iran sichern soll.

Nach Angaben der britischen Zeitung The Independent handelt es sich bei den Unterzeichnern um namhafte Wissenschaftler, Schriftsteller, Lyriker und Journalisten. Dazu gehören auch international bekannte Autoren wie Ahmad Schamlou, Simin Behbahani, Manoutscher Ateshi, Dariousch Ashouri, Shahrnoush Parsipour und Housang Golshiri. Möglicherweise stellt der ungewöhnliche Schritt eine Reaktion auf die Verhaftung des bekannten Lyrikers und Historikers Saidi Sirjani dar, dem Drogenkonsum und -handel sowie „unislamisches Verhalten“ (Homosexualität) und der genuß von Alkohol vorgeworfen werden.

Die Erklärung der Intellektuellen – unter den politischen Verhältnissen in der Islamischen Republik ein mutiger Schritt – ist auch deshalb bemerkenswert, weil die Unterzeichner alle im Iran selbst und nicht etwa im Exil leben. Hinzu kommt, daß erst wenige Tage zuvor ein offener Brief von General Azizollah Amir Rahimi bekanntgeworden war, in dem sich der ehemalige Kommandant der Militärpolizei dafür aussprach, eine Regierung der nationalen Rettung zu bilden und die Beziehungen zu den USA zu verbessern. Beate Seel