Krieg der Schüsseln

■ Die neuen TV-Satelliten "Astra1D" und "Hotbird1" verschärfen den Wettbewerb im Satellitengeschäft

Auf dem Weltraumbahnhof Kourou stehen die TV-Satelliten Schlange. Monat für Monat werden mit Hilfe der Europa-Rakete „Ariane“ zwei bis drei elektronische Passagiere an ihren Bestimmungsort 36.000 Kilometer über dem Äquator gebracht, von wo aus sie die Menschheit mit immer neuen Fernsehprogrammen beglücken sollen. Nachdem in den letzten Monaten Thais, Türken und Brasilianer mit neuen Satelliten versorgt wurden, trifft es nun die Mitteleuropäer. In der Nacht zum Dienstag wird die Ariane mit „Astra1D“ in die Luft gehen, im November folgt „Hotbird1“ von der europäischen Satellitenorganisation „Eutelsat“.

64 neue Astra-Kanäle

Mit diesen beiden Trabanten steigt die Anzahl der TV-Angebote aus dem All schlagartig um 32 Sender. Allein „Astra1D“ erhöht die Zahl der empfangbaren Programme auf der Position 19,2° Ost, auf die mehr als 90 Prozent aller etwa acht Millionen deutschen Satellitenhaushalte eingespielt sind, auf 64. Derzeit sind dort 18 deutschsprachige Programme zu empfangen, 16 davon unverschlüsselt. Weitere 30 Kanäle – davon allerdings nur fünf unverschlüsselte – werden von Programmen in Englisch, Holländisch oder in skandinavischen Sprachen belegt. Wieviel deutschsprachige Programme zum Jahresende hinzukommen werden, wenn „Astra1D“ seinen Betrieb aufnimmt, steht allerdings noch in den Sternen. Die Luxemburger Betreibergesellschaft der Astra-Satelliten geizt mit Informationen über die Kanalbelegung ihrer Trabanten. Selbst potentielle Vertragspartner wie der deutsch-französische Kultursender arte wissen drei Tage vor dem Raketenstart noch nicht, ob ihr Programm demnächst über Astra abgestrahlt wird. Jérôme Clément, Direktor von arte, droht inzwischen mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof: „Es ist einfach nicht normal, daß die Verteilung von Fernsehprogrammen am europäischen Himmel die Sache von privaten Organisationen ist, deren Kriterien für die Vergabe von Satellitenkapazitäten nicht zu durchschauen sind.“

Clément hat sich inzwischen nach einer Alternative umgesehen und ist bei Eutelsat fündig geworden. Dieser Zusammenschluß von mehr als 50 europäischen Staaten und Telekommunikationsgesellschaften versucht schon seit Jahren, Astra beim direkten Satellitenempfang Konkurrenz zu machen. Mit „Hotbird1“, der zum Jahresende die Abstrahlung aufnehmen wird, bietet Eutelsat auf 13° Ost dann 32 Fernsehprogramme an, allesamt unverschlüsselt. Schon jetzt sind hier der deutsche Musikkanal Viva, der Kabelkanal, die Deutsche Welle sowie RTL Television und RTL 2 zu Hause. Die RTL-Muttergesellschaft CLT hat auf „Hotbird“ zwei weitere Transponder gebunkert – angesichts der überbordenden Nachfrage nach Astra-Kanälen eine schlichte Notwendigkeit, um sicher zu gehen, daß neue Angebote, wie das geplante RTL-Super, überhaupt eine Ausstrahlungsmöglichkeit bekommen.

Auch aus anderen Gründen ist das Angebot von Eutelsat für die Programmveranstalter attraktiv. Zum einen ist die Reichweite größer: Vor allem in den wechselnden Satellitenmärkten in Osteuropa können die Zuschauer mit kleinen Antennenschüsseln Hotbird besser empfangen als Astra, und auch südlich von Rom bis in den nordafrikanischen Raum reichen die Hotbird-Signale weiter.

Hotbird ist billiger

Zum anderen nimmt Eutelsat von seinen Kunden mit etwa sieben Millionen Mark Transpondermiete pro Jahre 30 bis 40 Prozent weniger Gebühren als die Luxemburger Konkurrenz. Mehr noch: Für das gleiche Geld bietet Hotbird sogar ausreichend Platz, um das Programm parallel in analoger und der zukünftigen digitalen Fernsehnorm auszustrahlen. Schon vier Programmanbieter wollen diese Möglichkeit ab 1995 nutzen. MTV will gleich vier verschiedene, auf die nationalen Werbemärkte ausgerichtete Varianten seines Programms über nur einen einzigen Satellitenkanal digital abstrahlen. Das könnte die Bresche sein, mit der das Astra-Monopol geknackt wird, das für die meisten Beteiligten zuletzt immer mehr zum Ärgernis wurde. Mit der Einführung des digitalen Fernsehens – so die Ansicht einiger Experten – werden die Karten neu gemischt.

Außerdem droht Astra Ärger mit enttäuschten Zuschauern: Der neue Satellit sendet in einem Frequenzbereich, den ältere Satellitenreceiver nur schlecht oder sogar gar nicht verarbeiten können. Erst Geräte, die seit etwa eineinhalb Jahren verkauft werden, sollen auch den einwandfreien „1D“- Empfang ermöglichen. Wer also jetzt eine Schüssel kaufen will, der hat dem Verkäufer eine Menge Fragen zu stellen. Jürgen Bischoff