Aktiv an der Beleidigungsfront

■ betr.: „Soldaten sind bezahlte Kil ler“, taz vom 21.10.94

Das Wort Soldat kommt aus dem italienischen, und heißt, wie aus jedem einschlägigen Lexikon ersichtlich, „gegen Sold dienende Krieger“. To kill heißt töten, klingt also moderater als morden. Will die gegen obige Redewendung Anzeige erstattende Heeresleitung in Karlsruhe eine weitere Schlacht verlieren? A. Bauer,

Garmisch-Partenkirchen

„Soldaten sind bezahlte Killer“ ist eine an der Ausbildung und dem Auftrag der Bundeswehr gemessene sachliche Feststellung und die Krisenreaktion der Heeresleitung der Bundeswehr in Köln darauf, nicht weniger als der heuchlerische Versuch, die Hochglanzfriedenswerbung zu retten und eine inhaltliche Diskussion über bewaffnete Intervention zu verhindern.

Die neue Losung lautet, „Krieg ist der Ernstfall“ und die ist unvereinbar mit der alten Bundeswehrstrategie der Landesverteidigung durch Kriegsverhinderung, da, so die Verteidigungspolitischen Richtlinien, „militärische Konflikte, die Deutschlands Existenz gefährden könnten, unwahrscheinlich geworden“ (sind). Unverzichtbar seien wieder „bewährte soldatische Tugenden“ und eine „harte, fordernde, an den Realitäten von Gefecht und Einsatz orientierte Ausbildung“, so der Generalinspekteur der Bundeswehr, Naumann auf der Kommandeurstagung der Bundeswehr am 5. bis 7.10.1993 in Mainz.

Der „neue“ Soldat ist bereit, von sicherem Terrain aus für deutsche Macht- und Konzerninteressen, um zum Beispiel „den ungehinderten Zugang zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt aufrecht zu erhalten“, in andere Länder zu gehen und dort Menschen umzubringen. Soldaten, die sich mit dieser Bundeswehr nicht identifizieren wollen, sollten ihr Dienstverhältnis schleunigst aufkündigen.

1992 schrieben JuristInnen an den damaligen Verteidigungsminister Stoltenberg, „Soldaten sind bestimmt und werden darauf gedrillt, ,mit gemeingefährlichen Mitteln‘ (Wortlaut Mordparagraph 211) Menschen zu töten oder dabei zu helfen. Das geschieht auf Befehl“, und bekannten sich zu dem Spruch „Soldaten sind potentielle Mörder“.

Inzwischen ist nach dem Willen der militärischen und politischen Führung die Bundeswehr – nach der Aufhebung ihrer Selbstbeschränkung durch das Bundesverfassungsgericht im Juli 1994 – in die „Normalität“ wie jede andere Armee übergegangen. In der Logik dieser „Normalität“ könnte beispielsweise ein deutscher an Stelle eines amerikanischen Piloten zur „Verteidigung“ Kuwaits einen Bunker in Bagdad bombardieren und Zivilisten, die in diesem Bunker vor den „Verteidigern“ Schutz suchen, umbringen oder eine Brücke zerstören, auf der sich Hunderte flüchtender Menschen drängen. Auch ist es dann „normal“, daß Bundeswehrsoldaten sich zum krönenden Abschluß eines gewonnenen Krieges, am „Truthahnschießen“ beteiligen – so nannten amerikanische Soldaten das Abschlachten von wehrlosen und flüchtenden irakischen Soldaten aus der sicheren Luft.

Vor dem Hintergrund dieser neuen deutschen „Normalität“ und in Anknüpfung an deutsche militärische Traditionen müssen es sich Bundeswehrsoldaten gefallen lassen, als Mörder und bezahlte Killer bezeichnet zu werden, auch wenn das die Heeresleitung so betroffen macht, daß sie Hilfe bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig sucht. Weniger empfindsam indes agiert sie im Rahmen ihrer bundesweit tourenden Ausstellung „Unser Heer“, wenn ihr überaus eifriger Presseoffizier Szesny in besonders rüder Form uns in Aurich am Verteilen von Flugblättern hinderte und unter Anwendung von Gewalt vom Ausstellungsgelände entfernen ließ, während kleine Kinder in Abwesenheit ihrer Erziehungsberechtigten an der Technik der präsentierten Mordinstrumente von Panzern bis zu Hubschraubern unter fachmännischer Soldatenbetreuung ihren „mordsmäßigen“ Spaß haben durften. Regine Beyer, Norden,

Gisela Khan, Emden

[...] Ich muß bei dieser Reaktion an ein Sprichtwort denken. Zieht sich die Heeresleitung diesen Schuh an, weil er ihr paßt? Joachim Fischer, Bremen

Die Bundeswehr wurde wieder mal an der Beleidigungsfront aktiv. [...] Meine Empfehlung: „Unsere starke Truppe“ kämpfe nur mit derartigen Beleidigungsklagen anstatt in weltweiten Einsätzen. Noch besser: Soldatenminister Rühe lege einen Zahn zu, indem er die SPD-Bundestagsfraktion, die eine 340.000-Mann-Wehrmacht fordert (Weser-Kurier vom 21.10.), unterbietet und die Abschaffung aller Armeen, natürlich auch die der Bundeswehr, generalstabsmäßig (!) plant. Dann wäre auch die Produktion von Waffen nicht mehr zu begründen, auch nicht das vom Jäger 90 zum Jäger 2000 mutierte Kampfflugzeug. Ernst Busche, für die „Initiative

BremerInnen gegen Jäger 2000“