Chinas neue klasse Rasse

■ Neues Eugenikgesetz soll die „Qualität der künftigen Generationen verbessern“

Berlin (taz) – Um die „Qualität der künftigen Generationen“ des Landes zu verbessern, hat Chinas Volkskongreß gestern ein Gesetz verabschiedet, das die Abtreibung geistig und körperlich behinderter Embryonen vorsieht. Wer eine ansteckende oder vererbbare Krankheit hat oder behindert ist, soll an einer Heirat gehindert werden. Die Behörden sollen Schwangere bedrängen, als mißgebildet diagnostizierte Embryonen abzutreiben. Die Mutter habe allerdings die endgültige Entscheidung, ob sie einem Abbruch zustimmt, schreibt die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Hätte es schon früher ein solches „Gesetz zum Schutz der Gesundheit von Frauen und Neugeborenen“ gegeben, wären die derzeit mehr als zehn Millionen in China lebenden behinderten Menschen gar nicht erst geboren worden, heißt es weiter. Verboten wird außerdem die vorgeburtliche Geschlechtsbestimmung, um der um sich greifenden Praxis der Abtreibung von weiblichen Föten einen Riegel vorzuschieben. Das Gesetz soll am 1.Juni 1995 in Kraft treten.

Die jetzt verabschiedete Regelung ist eine etwas abgemilderte Version des Eugenik-Gesetzentwurfs, der im vergangenen Jahr vor allem im Ausland heftige Empörung hervorrief. Damals hatten die Behörden jeden Vergleich mit nationalsozialistischen Rassengesetzen weit von sich gewiesen. Um eine weitere internationale Diskussion zu vermeiden, wurden bestimmte Sprachregelungen geändert – zumindest in fremdsprachigen Übersetzungen hieß es nicht mehr „Eugenik“, sondern „Qualitätsverbesserung“ oder „Gesundheitsschutz“.

Ob schwangere Frauen sich dem „Rat“ der Behörden widersetzen können, eine Abtreibung vorzunehmen, muß bezweifelt werden. Zu viele Frauen, die ein zweites oder drittes Kind haben wollten, wurden brutal zur Abtreibung gezwungen, damit die Quoten der Geburtenkontrollpolitik nicht überzogen wurden. Jutta Lietsch