■ Vom Nachttisch geräumt: Paulus
Pinchas Lapide, einer der bekanntesten jüdischen Gottesgelehrten, schreibt im zweiten Band seines Buches „Ist die Bibel richtig übersetzt?“ nicht nur über so bekannte Übersetzungsfehler wie das Nadelöhr, durch das kein Kamel kommen soll, sondern auch über für die christliche Überlieferung wesentlich kitzligerer Fragen. Zum Beispiel entpuppt sich bei genauer Betrachtung der drei Berichte die epochale Bekehrung des jüdischen Saulus zum christlichen Paulus als eine Legende. Paulus blieb Jude. Das Damaskus-Erlebnis, so Lapide, war eine Berufungsvision. Paulus wurde nicht selbst bekehrt, sondern er begann nun die anderen zu bekehren. Zum Judentum. „Jude war und blieb auch Paulus – wie sein Heiland – sein Leben lang, und als Jude starb auch er – wie Jesus – von Römerhand.“
Eine der verhängnisvollen Stellen der Lutherbibel lautet: „Denn wenn ihre (der Juden) Verwerfung der Welt Versöhnung ist, was wird ihre Annahme anderes sein als Leben aus den Toten!“ (Paulus, Römerbrief 11,15) Lapide korrigiert die Übersetzung: „Nicht die Verwerfung Israels durch Gott ist gemeint, sondern das Verwerfen Christi durch Israel. Und nicht die dereinstige Annahme Israels durch Gott ist gemeint, sondern das künftige Annehmen des Christus durch Israel.“
Lapide hat weit über fünfzig solcher Fehlübersetzungen zusammengestellt. Es sind nicht alles seine Entdeckungen, aber hier finden sie sich übersichtlich zusammengestellt, in kleinen Kapiteln präsentiert: ein kritisches Brevier.
Pinchas Lapide: „Ist die Bibel richtig übersetzt?“ Band 2. Gütersloher Verlagshaus, 94 S., 14,80 DM.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen