■ Schäuble macht's möglich: Die Unionsfraktion will für Antje Vollmer als Bundestags-Vizepräsidentin stimmen
: Da staunt der Sozialdemokrat

„In der Opposition gibt es keine Koalitionen.“ Mit dieser Bemerkung hat Rudolf Scharping gleich zu Beginn seiner neuen Bonner Rolle als Fraktionschef klargestellt, wie die SPD in der kommenden Legislaturperiode Opposition betreiben wird: allein auf weiter Flur. Scharpings Distanz zu den Grünen, sein Versprechen auf die Eigenständigkeit der SPD könnte schon während der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestages wahr werden – wahrer, als der SPD lieb sein kann.

Schäuble macht's möglich. Der gewitzte Fraktionschef der Union, dem manche Durchtriebenheit nachsagen, hat für die umstrittene Wahl des Bundestagspräsidiums eine Variante ins Spiel gebracht, die den Anspruch der Bündnisgrünen, künftig mit Antje Vollmer eine Vizepräsidentin zu stellen, erfüllt. – Auf Kosten der SPD, die bislang als einzige Partei zwei Sitze im Präsidium einnimmt. Wenn die Union bereit ist, für Antje Vollmer zu stimmen, haben die Sozialdemokraten das Nachsehen. Das müßte ihnen, sollte man meinen, so schmerzlich nicht werden. Denn niemand sonst hat in den Tagen seit der Bundestagswahl derart vehement wie die Sozialdemokraten für den grünen Anspruch gestritten: Hohelieder auf die Kandidatin, Warnung vor einer „Diktatur“ gegen die grüne Minderheit, Appelle zur Wahrung des guten parlamentarischen Brauchtums. Nur, bei allem Pathos, an einem haben Peter Struck und seine Parteifreunde nie einen Zweifel gelassen: Die Legitimität der grünen Forderungen hat ihre Grenzen dort, wo sie den sozialdemokratischen Besitzstand gefährden könnte. Teilen, auch für die gute, übergeordnete Sache, ist nicht Sache der SPD.

Kann die Union nicht ihren Sitz statt den Liberalen den Grünen abtreten, lautete bislang der für sie kostenlose und ein bißchen durchsichtige Lösungsvorschlag der SPD. Dabei hätten sich die Sozialdemokraten doch ausrechnen können, daß nach ihrem vollen moralischen Einsatz für das gerechte, grüne Ansinnen irgendwann die Frage zu ihnen zurückkehren würde, warum allein ihre Posten bei der Neuverteilung tabu bleiben sollten. Doch die Phantasie von Rudolf Scharping reichte bislang wohl nicht aus, sich vorzustellen, Wolfgang Schäuble und Joschka Fischer könnten gemeinsam die SPD dazu zwingen, ihre Vorstellung vom gleichen Recht aller Fraktionen auch umzusetzen. Sie können es – mit der pikanten Mehrheit von Union und Bündnisgrünen. Da staunt der Sozialdemokrat.

Wenn Schäuble und die Union an ihrer Idee wirklich Gefallen finden sollten, bleiben der SPD nur zwei Möglichkeiten. Sie kann, es wäre ja nicht das erste Mal, gegen die Mehrheit, dafür um so entschlossener in den Kampf um ihren zweiten Präsidiumssitz einsteigen. Oder sie entschließt sich zum Konsens. Antje Vollmer im Präsidium des Bundestages, das müßte eigentlich auch Rudolf Scharping gefallen. Noch zwölf Tage bis zur Wahl. Das dürfte der SPD doch reichen für den Sprung über ihren Schatten. Matthias Geis