Wahlen zu einem riskanten Job

■ Morgen finden in Kolumbien Kommunalwahlen statt / Über 100 Bürgermeister wurden in den letzten Jahren umgebracht / An Bewerbern fehlt es dennoch nicht

Managua (taz) – Zum vierten Mal in diesem Jahr werden die Kolumbianer zu den Urnen gerufen. Nach Parlamentswahlen im März und zwei Runden der Präsidentschaftswahlen im Mai und Juni geht es morgen um die Gemeindevertretungen und die Gouverneure der 23 Departements. Obwohl in Kolumbien die Wahlbeteiligung traditionell niedrig ist, wird mit wenigen Enthaltungen gerechnet. Denn durch die in der Verfassung von 1991 durchgesetzte Dezentralisierung sind die Kommunen stark aufgewertet worden – ihre Etats werden größer sein als bisher. Ein Bürgermeister einer größeren Stadt hat heute mehr Macht als ein Gouverneur.

Bürgermeister ist allerdings kein ungefährlicher Posten in Kolumbien. In den vergangenen Jahren sind über hundert Gemeindevorsteher umgebracht worden, sei es durch Drogenterrorismus, rechtsextreme Gruppen oder Guerillaaktionen. Erst letzten Mittwoch wurden in Chita, Departement Boyacá, zwei Kandidaten für den Gemeinderat und einer für den Bürgermeister ermordet. Weil die Regierung auch am Wochenende mit Gewaltaktionen der Guerilla und paramilitärischer Banden rechnet, will sie den Wahlgang in acht bis zehn besonders gefährdeten Gemeinden suspendieren.

Dennoch fehlt es nicht an Bewerbern und kuriosen Allianzen. Als sicherer Sieger in der Hauptstadt Bogotá gilt der parteilose Mathematikprofessor Antanas Mockus, der letztes Jahr als Rektor der Nationaluniversität gefeuert wurde, nachdem er bei einer öffentlichen Debatte die Hosen runtergelassen hatte. Mit seinem wenig aufwendigen Wahlkampf hat Mockus bei allen sozialen Gruppen Eindruck gemacht.

In der Hafenstadt Barranquilla haben sich die traditionellen Großparteien – Liberale und Konservative – auf einen gemeinsamen Kandidaten geeinigt, um den amtierenden Bürgermeister Bernardo Hoyos zu schlagen. Der erfreut sich besonderer Beliebtheit in den Armenvierteln, weil er mit der Klientelwirtschaft im Rathaus aufgeräumt, Korruptionsskandale der traditionellen Elite aufgedeckt und in den Hüttensiedlungen Straßen gepflastert, Wasserleitungen und Strom verlegt hat.

Auch sonst geht der Trend in Richtung unabhängige Kandidaten. Nicht wenige entstammen dem progressiven Klerus. Spannend wird es diesmal auch in der relativ wenig bedeutenden Stadt Pasto, nahe der ecuatorianischen Grenze. Denn dort bewirbt sich Antonio Navarro Wolff, der Chef der ehemaligen Guerilla M-19 um den Gemeindevorsitz. Nach dem Friedensschluß 1990 wurde die M-19 stärkste Fraktion in der Konstituierenden Nationalversammlung, hat aber seither immer mehr an Terrain verloren. Nach zwei gescheiterten Präsidentschaftskandidaturen und dem Verlust sämtlicher Parlamentssitze bei den Wahlen im März ist die Partei am Ende. Jetzt versucht sie über die Kommunen einen Neubeginn. Und glaubt man den Umfragen, hat Navarro gute Chancen, Bürgermeister seiner Heimatstadt Pasto zu werden. Ralf Leonhard