„Papa war der Schlimmste von allen“

Im Ansbacher Flachslanden-Prozeß wurde jetzt der Vater, ein 56jähriger Bauhelfer, wegen vielfacher Vergewaltigung der eigenen Töchter zu vierzehn Jahren Haft verurteilt  ■ Aus Ansbach Bernd Siegler

„Sie sind einer der eigentlichen Urheber dieses teuflischen Geschehens.“ Die Jugendkammer des Ansbacher Landgerichts unter Vorsitz von Richter Peter Heckel ist von der Schuld des 56jährigen Bauhelfers Rudolf T. überzeugt. Das Gericht hielt es für erwiesen, daß der Angeklagte drei seiner fünf Kinder sowie seine Enkelin vielfach vergewaltigt und sexuell mißbraucht hat. Außerdem hat er seine beiden zur Tatzeit sieben und zehn Jahre alten Töchter an zahlende Freier weitergereicht. Mit einer Strafe von 14 Jahren blieb das Gericht nur knapp unter der zulässigen Höchststrafe von 15 Jahren, die der Staatsanwalt beantragt hatte. T.s Verteidiger, der auf Freispruch plädiert hatte, will in Revision gehen.

Das „teuflische Geschehen“ in Flachslanden, einem kleinen Dorf in Mittelfranken, hat Anfang 1991 begonnen. Über Jahre hinweg haben nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen 21 Erwachsene neun Kinder sexuell mißbraucht und vergewaltigt. Im Zentrum des Geschehens standen das Ehepaar Rudolf und Angelika T., Eltern von vier Töchtern und einem Sohn. Diese sowie Kinder befreundeter Familien wurden nach Auffassung der Staatsanwaltschaft von ihren Eltern, Verwandten, Großeltern und sogar dem Dorfarzt mißbraucht.

Während die 35jährige Angelika T. vergangene Woche ein umfangreiches Geständnis abgelegt hatte und zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden war, leugnete ihr Ehemann Rudolf T. In den fünf Prozeßtagen nicht nur jegliche Tatbeteiligung. Er will von den Vergewaltigungen, die in seiner Wohnung, in seiner Waldhütte und in seinem Wohnwagen stattgefunden haben, nichts bemerkt haben. „Gefummelt hat in meiner Gegenwart keiner – sonst hätte ich reingefunkt“, betonte er in einer früheren Aussage als Zeuge.

Auch angesichts der erdrückenden Beweislast durch die Aussagen mehrerer erwachsener Zeugen entschloß sich T. nicht zu einem Geständnis. In den vergangenen elf Verfahren der Prozeßserie um den Mißbrauchsskandal von Flachslanden hatte dies den Angeklagten jeweils einen großen Strafrabatt eingebracht.

So mußten die beiden ältesten, heute dreizehn- und neunjährigen Töcher von T. unter Ausschluß der Öffentlichkeit gegen ihren Vater aussagen. „Jede neue Vernehmung vor Gericht verstärkt die negativen Folgen des Mißbrauchs“, hatte die Therapeutin der inzwischen in einer Pflegefamilie untergebrachten Kinder vergebens gewarnt.

Die beiden Mädchen bestätigten schließlich die Vergewaltigungen. Sie hätten geschrieen und gestrampelt, ihr Vater sei „der Schlimmste von allen“ gewesen. Sie bestätigten auch, daß sich Rudolf T. selbst an seinem zur Tatzeit knapp zehn Monate altem Sohn vergangen habe und daß er mit den beiden Mädchen auch nach Nürnberg gefahren sei. Dort seien sie dann gefesselt worden. Fremde Männer seien gekommen, hätten ihrem Vater große Geldscheine gegeben und die Mädchen anschließend vergewaltigt.

Staatsanwalt Peter Hüttner hatte in seinem Plädoyer aufgrund der großen Zahl schwerer Delikte die Höchststrafe von 15 Jahren gefordert. Rudolf T. sei ein Mensch mit einer „hemmungslosen Sexgier“. Er habe Wohlgefallen an der Demütigung und Erniedrigung seiner Kinder gehabt. T.s Verteidiger hatte dagegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen und der Kinder bezweifelt.

„Die Kinder haben nach Überzeugung des Gerichts die volle Wahrheit gesagt“, betont dagegen Richter Heckel. Heckel führte aus, daß es für die Kammer keinen Grund gab, von einem minderschweren Fall des sexuellen Mißbrauchs auszugehen.

Der übermäßige Alkoholgenuß des 56jährigen habe nicht seine Einsichts-, wohl aber seine Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt. Nur deshalb könne er, „obwohl es sachgerecht wäre“, nicht zur Höchststrafe von 15 Jahren verurteilt werden. Die Summe der Einzelstrafen, so der Vorsitzende der Kammer, betrage immerhin 73 Jahre und neun Monate.