Arm fürs eigene Heim

■ Kaufen statt mieten? Wohneigentum kann leicht zur Schuldenfalle werden

Man stelle sich vor: in deutschen Vorstädten viele neue Reihenhaussiedlungen, in den Innenstädten neue Wohnhäuser mit kleinen Dreizimmerwohnungen – und das alles selbst finanziert von jungen Familien, die sich mit staatlicher Hilfe bis über beide Ohren verschuldet haben. Vor einigen dieser Häuser stehen große Schilder, „Zu verkaufen“, bei den Zwangsversteigerern stapeln sich die Angebote für Eigentumswohnungen, deren Finanzierung zusammengebrochen ist. Das Szenario erinnert an englische Vorstädte und könnte auch in Deutschland Wirklichkeit werden, wenn die Vorschläge der vom Bauministerium beauftragten Expertenkommission umgesetzt werden.

Die Förderung des Wohneigentums soll nach Meinung der Kommission nämlich künftig auch auf solche Haushalte ausgerichtet werden, „die an der Schwelle zum Eigentum stehen, aber die hohe Liquiditätsbelastung in der ersten Phase nach dem Eigentumserwerb nicht auf sich nehmen können“.

Die Experten empfehlen einen vom Staat durch Bürgschaften gestützten „dynamischen Kapitaldienst“, der die jungen Haushalte erst mit geringen Belastungen ködert und dann die Tilgungsverpflichtungen steigert. Die Haushalte sollen dadurch in die Lage versetzt werden, „Wohneigentum schon früher als bisher im Lebenszyklus zu erwerben“. Bauherren oder Erstkäufer einer Wohnung sollen nach den Vorschlägen 60 Prozent der Schuldzinsen von ihrem zu versteuernden Einkommen absetzen können. Wer eine gebrauchte Wohnung erwirbt, darf noch 40 Prozent der Schuldzinsen geltend machen.

Geschenkt wird den jungen Käufern damit aber nichts. Und ob die monatliche Belastung mit den staatlichen Hilfen tatsächlich auf „Mietniveau“ herabgedrückt werden kann, wie die Kommission vorsieht, ist fraglich. Es sei denn, die Mieten verteuern sich so, daß der Erwerb einer Wohnung Zwangsalternative wird. Auch dann noch brauchen die Käufer Eigenkapital.

Nach einer Umfrage des Verbandes Deutscher Hypothekenbanken (1992) geben westdeutsche Bauherren im Schnitt 40 Prozent ihres monatlichen Nettofamilieneinkommens für die Finanzierung ihres Eigenheims aus. Der durchschnittliche Bauherr zahlt monatlich 2.247 Mark an seine Bank, bei einem Nettoeinkommen von 5.400 Mark und einem Eigenkapital von rund 100.000 Mark.

Westdeutsche Mieter müssen laut Statistik nur etwa ein Viertel ihres Einkommens für die Miete aufwenden. Schon jetzt allerdings fressen die Mieten vielerorts erheblich mehr vom Familieneinkommen. Wer ein Dachgeschoß für 2.000 Mark bezieht, blättert im Extremfall schon mal die Hälfte seiner Einkünfte für die Miete hin. Das westdeutsche Durchschnittseinkommen für einen dreiköpfigen Haushalt mit Vorschulkind liegt bei 4.151 Mark netto (Osten: 2.875 Mark).

Die Förderung von Eigenheimen wäre im Grunde nichts anderes als Wohnungsbau auf Pump – nur daß die Schuldner diesmal junge Familien wären. Und die hätten auch die Folgen zu tragen. Eine Scheidung etwa kann schon das Aus für die Finanzierung der Eigentumswohnung bedeuten, wie viele Zwangsversteigerer von ihrer Klientel wissen. Und wenn das Einkommen nicht wie erhofft steigt, sondern ein Verdiener arbeitslos wird, landen Haus und Exbesitzer wieder auf dem freien Wohnungs- und Immobilienmarkt – wie gehabt. Barbara Dribbusch