Perfekt verpackt

■ Circus Roncalli mit neuem Programm und altem Star-Clown in Bremen

Kann Verpackung wirklich so perfekt sein? Der Wiener Graphiker Bernhard Paul tritt mit seinem Circus Roncalli beim fünften Bremer Gastspiel in neun Jahren unter dem Titel „Commedia dell'Arte“ den Beweis an. Vom samtroten Sitzpolster im Parkett des cremeweißen Zeltes bis zur rotlivrierten Popcorn-Verkäuferin unter der Fin-de-siècle-Bogenlampe – so perfekt kann Verpackung tatsächlich sein. Kein Wunder, daß Roncalli im vergangenen Jahr als erster Zirkus überhaupt gastieren durfte, wo Wien am vornehmsten ist: direkt zwischen Rathaus und Burgtheater.

Seit Samstag steht Roncallis blankgewienerte K.u.K.-Herrlichkeit mit Mailänder-Scala-Interieur auf dem zugigen Neustädter Grünenkamp. Und versucht, zweimal täglich Bremer Publikum von dort in eine Welt zu entführen, in der schon das Programmheft eindringlich nach Hochglanz riecht. Geschniegelt ist auch der Übergang vom Vorspiel zur ersten Nummer mit den gut gestriegelten Dressurpferden des Schweizer Nationalcircus Knie. Wie geschmiert drehen die ihre Pirouetten zur Musik des befrackten Roncalli-Orchesters und betanzen die Sägespan-Manege gemeinsam mit vier Zebras.

Roncalli bietet keine Attraktionen zum Luftanhalten. Dafür in der perfekten Verpackung ebenso perfekte Arrangements. Da sind die Artisten Sophie und Virgile mit ihrem Kopf-auf-Kopfstand im Tango-Rhythmus, der Seiltanz-Macho Joseph Bouglione in Lederstiefeln und offenem Hemd, die Frères Taquins als Witzbold mit Homunculus, Eugeni Kuzmich Shmarlovski mit der niegesehenen Verwandlung eines Nerzmantels in ein Rudel rennender Nerze, und zwischendurch gibts ein Kessel Buntes aus Kostümwerkstatt und Choreographie-Lehrbuch.

Das ist alles schön und beeindruckend und ist doch noch kein Zirkus. Dessen Stimmung kommt erst richtig auf, wenn Roncalli ausnahmsweise die pompöse Inszenierung abschüttelt. Als erstem gelingt das dem Moskauer Muskelmann Anton Beljakov am fliegenden Seil. Mit nichts in der Hand als Kraft und Geschick wirbelt er sich durch den Zirkushimmel und landet, als wäre nichts gewesen, genau im Takt des Pink-Floyd-Arrangements.

Und dann kommt Peter Shub. Der Diplom-Soziologe aus Philadelphia, USA, war schon Star des letzten Roncalli-Programms „Reise zum Regenbogen“. Als Clown braucht er noch nichtmal eine rote Nase. Es reicht ihm ein einziger tanzender Finger, eine sparsame Armdrehung oder ein auffordernder Blick, und schon hat er sein Publikum in den Bann geschlagen. Die Nummer ist so witzig, daß sie selbst ihre dauernde Wiederholung verträgt. So tritt Peter Shub nicht nur zweimal pro Roncalli-Abend auf, er tut das auch noch mit einem, seit sieben Jahren fast unveränderten Programm. Doch Lachen und Applaus bleiben ihm treu.

Ein Glück, daß der Perfektionist Bernhard Paul als Direktor und alleiniger Besitzer des 130-Personen-Unternehmens Roncalli auch derart unverpackte Bonbons ins Programm gehoben hat. Sonst nämlich stünde seine aufgedonnerte Verpackungskunst in großer Gefahr, als Mogelpackung zu enden.

Dirk Asendorpf

Circus Roncalli, bis zum 27.11. täglich um 15 und 20 Uhr (montags und dienstags nur 20 Uhr) auf dem Grünenkamp, Karten von 10 bis 58 Mark, Reservierungs-Tel. 500710