Ringstorff Seite an Seite mit Seite, wenigstens bis zum Sommer

■ SPD und CDU in Mecklenburg-Vorpommern beginnen Koalitionsverhandlungen / SPD streitet weiter über PDS

Berlin (taz/AFP) – Sie gehen sich aus dem Weg oder würdigen sich mit bösen Blicken, dennoch sollen Berndt Seite und Harald Ringstorff in den kommenden vier Jahren gemeinsam die Regierungsgeschäfte in Mecklenburg- Vorpommern führen. Dreimal haben sie sondiert, sich gestenreich voneinander abgegrenzt, heute abend wird der SPD-Chef Harald Ringstorff auch öffentlich verkünden, daß die Koalitionsverhandlungen beginnen.

Mit viel taktischem Geschick hat Harald Ringstorff seine Disziplinierung durch die Bonner SPD- Spitze als eigenen Erfolg inszeniert und gleichzeitig seine innerparteilichen Kritiker zum Schweigen gebracht. Die mecklenburg-vorpommersche SPD besteht, obwohl sie in der Gunst der Wähler fast elf Prozent hinter der CDU liegt, in einer gemeinsamen Landesregierung auf der Hälfte der acht Ministerien, darunter dem Innen- und dem Finanzministerium. Sie muß in dem ungeliebten Bündnis mit der CDU wichtige landespolitische Akzente setzen, sonst treibt sie der PDS weiter die Wähler zu. Die Gemeinsamkeiten zwischen SPD und PDS sind in der Landespolitik groß, und so mußten die Sozialdemokraten schließlich in die Trickkiste greifen, um einen Vorwand für den Abbruch der Gespräche über die Tolerierung einer SPD- Minderheitsregierung durch die PDS zu liefern.

Die „notwendigen Klarstellungen“ waren ein leicht durchschaubares taktisches Rückzugsgefecht des vorgepreschten Möchtegern- Ministerpräsidenten Harald Ringstorff. Als dauerhafte Abgrenzung von der PDS sind sie kaum geeignet und waren sie wohl auch nicht gedacht.

Die PDS in Mecklenburg-Vorpommern kann wieder in die von ihr so meisterlich ausgefüllte Rolle der konsequenten Bewahrerin von Ostinteressen schlüpfen, auch wenn sie nur zu gerne die Oppositionsnische verlassen würde. Das kurze Schnuppern an der Macht hat gezeigt, daß die PDS auf die Rolle des Mehrheitsbeschaffers in der Landespolitik kaum vorbereitet ist. Fast peinlich wirkte in den letzten Tagen ihre Anbiederung an die Sozialdemokraten.

Beliebig und butterweich formuliert sind die 23 Punkte, die der PDS-Landesparteitag als Grundlage für Tolerierungsgespräche mit der SPD vorgelegt hat. Überall wo die SPD in der vergangenen Woche kritisch nachgefragt hat, wich die PDS zurück. Harald Ringstorff hätte mit den PDS-Genossen ein leichtes Spiel. Kaum hatte die SPD etwa das Ansinnen der PDS kritisiert, in Mecklenburg-Vorpommern „wie am Runden Tisch“ zu regieren, war nur noch „vom Geist des Runden Tisches die Rede“. Der ablehnenden Haltung zur Küstenautobahn fügte die PDS gleich hinzu, man könne sich vorstellen, den Bau bis Rostock hinzunehmen. Doch auf Bonner Druck mußten die „Schweriner Verhältnisse“ noch einmal vertagt werden. Aber schon jetzt wird im Landtag munter darüber spekuliert, wie lang die Zwangsehe von Seite und Ringstorff wohl halten wird. Im Sommer kommenden Jahres stehen die Chancen für einen Bruch gut, dann sind die für die SPD im Westen so wichtigen Wahlen in Nordrhein-Westfalen und Hessen gelaufen.

Ringstorffs klug eingesetzter Eigensinn hat auch am Wochenende die Dabatte in der Gesamtpartei wieder belebt. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reinhard Höppner verteidigte seine Gespräche mit der PDS: „Es wäre Betrug am Wähler, eine große Oppositionspartei mit einer Kontaktsperre zu belegen.“ Niedersachsens Regierungschef Gerhard Schröder forderte „eine tiefgehende Debatte, wie man mit der PDS vernünftig umgeht“. Der ostdeutsche SPD-Politiker Richard Schröder forderte seine Partei auf, sich stärker um frühere SED-Mitglieder zu kümmern. Die meisten seien heute parteilos, aber dennoch politisch interessiert. „Wir können Leute, die eigentlich der SPD nahestehen, nicht durch moralische Überheblichkeit vor den Kopf stoßen.“ Wenn sich die PDS von Altstalinisten und Kommunisten trenne, könnte über die Zukunft von SPD und PDS neu diskutiert werden. Der SPD-linke „Frankfurter Kreis“ sprach sich für eine „Strategie der Integration, der Konkurrenz und der begrenzten Kooperation“ mit der PDS aus. Christoph Seils