Brüsseler Spitzen

■ Jöns und Kudella gegen Brüsseler Stellen-Besetzung ohne Ausschreibung / CDU will vor Staatsgerichtshof klagen / Wedemeier: „Völlig daneben“

Gegen die Besetzung der Bremer Brüssel-Repräsentanz ohne Ausschreibung mit dem Wedemeier-Vertrauten und Ex-Staatsrat Manfred Mayer-Schwinkendorf kam gestern gleich zweimal scharfer Protest: von der CDU und von Karin Jöns, die bis zu ihrer Wahl ins Europaparlament Leiterin des Brüsseler Bremen-Büros war.

CDU-Fraktionschef Peter Kudella kündigte gestern einen Antrag an die Bürgerschaft an, mit dem der Vertrag von Mayer-Schwinkendorf sofort wieder gelöst und die Stelle öffentlich ausgeschrieben werden soll. Würde das nicht beschlossen, will die CDU vor den Saatsgerichtshof ziehen.

Kurz zuvor hatte Karin Jöns gestern pikanterweise im Rathaus mit der Bremer Europapolitik abgerechnet – und das hieß, vor allem mit Bürgermeister Wedemeier. Und bei der Gelegenheit kam auch der Fall Mayer-Schwinkendorf zur Sprache. „Es ist skandalös, daß es keine Ausschreibung gegeben hat“, kritisierte Karin Jöns. „Ich kenne den Mann nicht, ich will ihn nicht anmachen. Aber die Stelle ist so wichtig, die muß ausgeschrieben werden.“ Es habe mindestens drei kompetente InteressentInnen für ihre Nachfolge gegeben, die sich auch beim Rathaus gemeldet hätten, doch denen sei keine Chance gegeben worden.

Aber das, so Jöns, sei ja mittlerweile Bremer Übung: So sei die Stelle des Bremer Berlin-Beauftragten an den ehemaligen FDP-Landesvorsitzenden Horst-Jürgen Lahmann ohne Ausschreibung vergeben worden. „Und die Stelle für die EG-Referentin im Rathaus ist auch nicht ausgeschrieben worden.“ Auf der sitzt seit vier Jahren die ehemalige grüne Bürgerschaftsabgeordnete Irmgard Jahnke.

„Das verwundert mich sehr“, sagte Bürgermeister Klaus Wedemeier zur Kritik seiner Parteifreundin. Unter denjenigen, die wegen der Brüsseler Stelle angefragt hätten, seien keine aussichtsreichen BewerberInnen gewesen. Karin Jöns selbst sei außerdem nach genau demselben Verfahren ausgewählt worden – ganz ohne Ausschreibung. Ihre Kritik sei „populistisches Gerede. Sie soll sich lieber ihren eigentlichen Aufgaben zuwenden.“ Und der Chef der Senatskanzlei, Andreas Fuchs, fand gestern im Kreise von Journalisten noch ganz andere Worte: „Frau Jöns ist ziemlich schnell mit ihrem Mundwerk. Manchmal sollte sie besser vorher ihr Gehirn dazwischenschalten.“

Möglicherweise macht es sich das Rathaus in seiner Argumentation da ein bißchen einfach. Denn Karin Jöns räumt zwar ein, daß auch sie ohne Ausschreibung auf ihren Brüsseler Posten gekommen sei, aber schließlich sei das die Gründungsphase des Büros gewesen. Damals habe es drei andere Ländervertretungen gegeben, mittlerweile seien alle präsent. Außerdem: Wie kann von einem „Vertrauensverhältnis“ die Rede sein, wenn die Zusammenarbeit zwischen Brüssel und dem Bremer Rathaus so schlecht war, wie Jöns gestern berichtete. Ihr Fazit der Bremer Europapolitik ist verheerend. Sieben Jahre war sie in Brüssel. In der Zeit konnte sie sich auf eines ziemlich verlassen: Daß es kaum Unterstützung aus Bremen selbst gab. Und das geht vor allem auf die Kappe von Klaus Wedemeier. „Andere Länderchefs stehen zwei-, dreimal im Jahr auf der Matte und reden mit wichtigen Leuten in der EU. Klaus Wedemeier war in sieben Jahren viermal da.“

Und eine dieser Gelegenheiten sei die Präsentation der „Neuen Hanse Interregio“ gewesen, der versuchte Verbund von Bremen, Niedersachsen und vier holländischen Grenzregionen. In der Beurteilung der Europaspezialistin ein politischer Popanz, der für Bremen rein gar nichts eingebracht habe.

„Völlig daneben“, kommentierte Klaus Wedemeier. „Das Projekt findet in Brüssel nach wie vor großen Anklang.“ Man müsse dem Zusammenschluß Zeit zum Reifen lassen. „Und außerdem kann Frau Jöns das gar nicht beurteilen. Sie ist bei den entscheideneden Gesprächen auf Regierungsebene gar nicht dabeigewesen.“ J.G.