Hehre Worte für Zeiss

Politiker fordern neues Sanierungskonzept / Geschäftsleitung verbittet sich jede Einmischung  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – „Ich wußte nicht, daß Politiker irgendein Mandat bei uns haben“, kommentiert Bernd Raebel, Sprecher des Optikkonzerns Carl Zeiss, das vom baden- württembergischen Wirtschaftsminister Dieter Spöri einberufene Krisentreffen. Am heiligen Sonntag waren Vertreter der Landesregierungen aus Thüringen, Hessen und Niedersachsen nach Stuttgart geeilt, um über Hilfen für den angeschlagenen Betrieb zu beraten. Fast 3.000 ihrer weltweit 15.900 Mitarbeiter will die Geschäftsführung raussetzen; allein in Baden- Württemberg stehen 1.200 Jobs zur Disposition. Im thüringischen Jena soll es noch einmal 600 Kollegen treffen, nachdem dort im Frühjahr bereits 800 gehen mußten.

Das Sanierungskonzept müsse überarbeitet werden, forderten die Politiker. Zeiss solle sich neue Märkte erschließen und mehr in innovative Produkte investieren, anstatt Leute rauszusetzen. Vage war auch davon die Rede, daß die öffentliche Hand zusätzliche Aufträge verteilen werde. „Da bin ich gespannt. Spöri muß schließlich bei der eigenen Verwaltung 200 Millionen Mark einsparen. Wie soll von da noch Hilfe kommen?“ fragt Raebel. Und selbst wenn – die Strukturprobleme ließen sich auf diese Weise auch nicht lösen.

Die Zeiss-Geschäftsführung verbittet sich die Einmischung der Politiker. Stiftungskommissar Hermann Franz drohte gestern mit seinem Rücktritt für den Fall, daß das Konzept des Vorstandes nicht durchgeführt werde. Es liege eine privatwirtschaftliche Lösung auf dem Tisch, die keine staatlichen Töpfe in Anspruch nehme, sagte Franz in der Welt am Sonntag. „Wenn man sie nicht will oder ein Dauersubventionsfall geschaffen werden soll, würde ich als Stiftungskommissar nicht mehr zur Verfügung stehen.“

Das wirtschaftliche Desaster des Optikkonzerns führt Zeiss- Sprecher Raebel vor allem auf den Auftragsrückgang zurück. Galten U-Boot-Ferngläser und Nachtsichtgeräte bis vor ein paar Jahren noch als sichere Einkommensquelle, so ist hier heute fast nichts mehr zu holen. Auch die Order von Krankenhäusern und Universitäten nach Mikroskopen sei enorm zurückgegangen. Bei der industriellen Meßtechnik habe die Rezession voll zugeschlagen: Nur mit enormen Preisnachlässen hätte man noch an die Automobil- und Flugzeugindustrie verkaufen können. „Sind die Preise erst einmal unten, kriegt man sie nicht wieder hoch“, so Raebel. Mit Produkteinschränkungen und Standortzusammenlegungen will die Geschäftsführung das Dilemma lösen.

Hinzu komme, daß Zeiss Jena statt der erwarteten 500 Millionen Mark Umsatz nur 210 Millionen einbringe – bei 140 Millionen Mark Miesen. Die Treuhandmitgift von 587 Millionen Mark sei Anfang nächsten Jahres aufgebraucht. Dann werde der Konzern die massiven Verluste zu 51 Prozent tragen. Die restlichen 49 Prozent müßte das Land Thüringen übernehmen, das über die Jenoptik an Zeiss beteiligt ist. Allerdings hat das Land auch die Option, für eine Mark aus dem Vertrag auszusteigen. „Wenn das Land drin bleibt, gibt es Probleme mit Brüssel“, prophezeit Raebel. Der Konzern habe bereits wegen Subventionsvorwürfen mehrfach vor dem EU-Kadi gestanden. Steigt das Land aus, wird es für Oberkochen noch teurer.