Fahrn, fahrn, fahrn

■ Die Tagesschau zeigte die Orte der Handlung, aber nicht das Drama

So müssen sich die Amerikaner bei den Bildern der Verfolgung von O.J. Simpson gefühlt haben – aber dann auch wieder nicht. Denn die Tagesschau war zwar immer da, aber nie dabei! Jede Fluchtetappe kam getreulich ins Bild. Zunächst die Autobahn Richtung Fulda, über die am Montag vormittag das Gangsterauto gerast war. „Fulda“ zeigt das blaue Autobahnschild gut lesbar an. Dann Richtung Thüringen, vorbei an vielen anderen Autobahnausfahrten. Die Presseleute, hinter langsam fahrenden Polizeiwagen her zockelnd, filmen die Autobahn vor ihnen ab. Immerhin, hier war's, hier sind sie irgendwann vorbeigekommen.

Dann der Geiseltausch in Suhl. Den – und die Geiseln – sieht man nicht. Dafür ein Bild der Bank, die in Fulda überfallen worden war. Und ein Bild des Mietshauses, in dem die neuen Geiseln wohnen. Das Fluchtauto hat inzwischen die Landstraße genommen. Damit wir das auch glauben, gibt es Bilder von Polizeiwannen, die sich langsam auf kurvigen Straßen unter einem Eisenbahnbrückchen durchquälen.

Es wird dunkel, inzwischen befinden sich alle wieder auf der Autobahn in Richtung Dresden – die Ausfahrtschilder beweisen es. Was die Gangster in der Zwischenzeit alles anstellten, erzählt eine Stimme aus dem Off. Die Gangster ändern plötzlich die Richtung. Die Bilder auch. Die Autobahnabfahrtschilder beweisen es.

Ein mobiles Einsatzkommando soll am Ende in Sichtweite des Fluchtfahrzeugs gewesen sein. Die Presse und die Bilder, die man uns präsentierte, waren es nie. Ob es daran lag, daß sich die rasenden Reporter zurückhielten, um ihren Ruf, auf der Jagd nach „echten“ Bildern schon mehr als einmal danebengegriffen zu haben, nicht noch mehr zu strapazieren? Oder daran, daß sich die Einsatzleiter der Polizei diesmal gleich durchgesetzt haben? Aber die Story ist schließlich gut – trotz belangloser Bilder. Und so erzählte man uns eben die Geschichte „Ein Tag auf der Autobahn“. Barbara Häusler