piwik no script img

„Öffentliche Moral“

■ Rumänien ändert Homo-Paragraphen

Bukarest (taz) – Ende letzter Woche verteidigte der Senat des rumänischen Parlamentes noch die „christlich-orthodoxe Ethik“, die „nationale Gesundheit“ und die „öffentliche Moral“. Um deren Schutz bemüht, sprachen sich die Senatoren dafür aus, daß Homosexualität auch weiterhin strafbar bleibt. Am Dienstag schwächte die Deputiertenkammer den Paragraphen 200 des Strafgesetzbuches ab: Homosexualität wird nur dann bestraft, wenn sie einen „öffentlichen Skandal provoziert“.

Grund für den Rückzug des Parlamentes dürfte vor allem der Druck des Europarates sein. Dieser hatte Rumänien im vergangenen Jahr aufgenommen, nicht ohne Rumänien zu verpflichten, die Einhaltung der Menschen- und Minderheitenrechte zu verbessern und daher Homosexualität als Straftatbestand abzuschaffen. Wie es jedoch um den politischen Willen der Legislative bestellt ist, konnte der Generalsekretär des Europarates, Daniel Tarschys, vor Ort verfolgen. Er war zu Besuch in Bukarest, während die Senatoren debattierten. Dabei schreckten sowohl Vertreter der Regierung als auch der Opposition vor simplen Lügen nicht zurück: Gegen Homosexualität führten sie die „Aids- Bedrohung“ an. Rund 95 Prozent der 2.847 Aids-Kranken infizierten sich jedoch während einer ärztlicher Behandlung, unter ihnen 2.620 Kinder.

Manche Abgeordnete kritisieren allerdings auch die jetzige Form des Paragraphen, demzufolge „öffentliche“ Homosexualität mit ein bis fünf Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Der Abgeordnete der ungarischen Minderheit, László Zsigmond, meint, die Formulierung „öffentlicher Skandal“ sei dehnbar und lasse Behörden weiten Spielraum. Dan Anghel, Sekretär der Menschenrechtsorganisation Sirdo, sagte der taz außerdem, Homosexuelle würden gegenüber Heterosexuellen diskriminiert, weil die Strafen für das „Provozieren eines öffentlichen Skandals“ bei letzteren weitaus niedriger lägen. Gegenwärtig befinden sich nach Angaben von Sirdo noch etwa 60 Personen wegen Homosexualität im Gefängnis. Keno Verseck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen