Einen Angolaner als „Sklaven“ gehalten

■ Seit gestern stehen drei junge Männer, die einen Angolaner drei Monate lang gefangenhielten, quälten und sexuell mißhandelten, in Potsdam vor Gericht

Potsdam (taz) – Drei junge Männer zwischen 22 und 32 Jahren, denen vorgeworfen wird, einen jungen Angolaner entführt, ihn drei Monate in der Wohnung festgehalten, gequält und gedemütigt zu haben, müssen sich seit gestern vor dem Landgericht Potsdam verantworten. Die Anklageschrift liest sich wie ein Folterkatalog. Silvio C., damals 22 Jahre alt, mußte zwei Angeklagten die Wohnung sauberhalten, Gäste mit weißen Handschuhen bedienen und nackt tanzen. Außerdem zwangen ihn die Beschuldigten Ralph-Andreas T., damals 30 Jahre alt, und Christian G., 22 Jahre, sie sexuell zu befriedigen. Sie sollen Silvio C. geschlagen und nur unter Aufsicht aus dem Haus gelassen haben. Hin und wieder beteiligte sich Ingo S. an den Quälereien. Damals war er 20 und als „rechte Schlägerglatze“ stadtbekannt. Christian G. verweigerte gestern vor Gericht die Aussage, Ingo S. gab die Vorwürfe, die sich gegen ihn richten, zu, Ralph- Andreas T. bestritt alles.

Silvio C. kam als angolanischer Vertragsarbeiter in die DDR. Zusammen mit Ralph-Andreas T. arbeitete er in einem Elektrobetrieb. Um nach der Wende nicht in den Bürgerkrieg abgeschoben zu werden, stellte er einen Asylantrag und kam als Kontingentflüchtling in die Nähe von Stuttgart. Dort besuchte ihn Ralph-Andreas im Oktober 1992, versprach Arbeit in Potsdam und nahm Silvio C. mit.

Zunächst quartierte er ihn bei seinem Freund Christian G. ein. Der soll Silvio eingesperrt haben und ließ ihn auch für sich putzen. Die Schikanen wurden zur Quälerei, als Ralph-Andreas Silvio wenige Wochen später zu sich ins Haus holte. Da mußte er eine verrostete Mülltonne blank polieren. „Das hat er freiwillig gemacht“, verteidigte sich Ralph-Andreas T. Später machten die Peiniger ihn betrunken, schnallten ihn mit einem Ledergurt am Stuhl fest und rasierten ihm die Scham- und Kopfhaare vom Körper. Über die Weihnachtstage nahmen die drei Angeklagten Silvio C. mit in den Thüringer Wald. Dort hatte er die Zentralheizung zu befeuern und mußte bei eisiger Kälte im Garten umherlaufen. Am Heiligabend konnte er fliehen. „Völlig durchgefroren, abgehetzt und hilflos klingelte er an meiner Tür“, sagte gestern die Zeugin Heidi Grätz.

Silvio C. habe sich freiwillig zur Hausarbeit gemeldet, ebenso freiwillig habe er Sex angeboten, sagte Ralph-Andreas T. gestern. Die Haare habe man ihm rasiert, weil er eine Goldmünze geklaut habe. Niemals habe er von ihm gefordert, mit weißen Handschuhen bedient zu werden. Vielmehr habe er vorgehabt, sich Geburtstagsgästen in Frack und weißen Handschuhen zu präsentieren. Ingo S. sagte aus, von Ralph-Andreas T. den Auftrag bekommen zu haben, Silvio C. zu schlagen.

Der Prozeß wird fortgesetzt. Annette Rogalla