Opposition aushorchen

■ Mitarbeiter des südkoreanischen Geheimdienstes offenbart Spitzeltätigkeit / Grüne fordern politisches Asyl für 28jährigen

Der Mann wirkt schüchtern, verbeugt sich kurz, bevor er mit leiser Stimme in seiner Landessprache aus einem vorbereiteten Papier vorliest. Für Heung-Young Baek ist es der erste öffentliche Auftritt in Deutschland: Der 28jährige hat sich nach einem langen, quälenden inneren Prozeß vom südkoreanischen Staatssicherheitsdienst, dem „Angibu“, losgesagt. Was Baek Anfang der Woche im Pressezimmer der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen schilderte, gehört in das Repertoire der internationalen Schlapphut-Arbeit: Im Auftrag des Geheimdienstes war er am 1. September vom südkoreanischen Großflughafen Kimpo in der Nähe von Seoul mit einem nagelneuen Paß nach Frankfurt geflogen. Sein Ziel: die Berliner Mitglieder der „Studentenvereinigung für die Wiedervereinigung Koreas (Bumchonghakryon) auszuhorchen. Baek, der bei Angibu unter dem Decknamen „Azalie“ und der Codenummer 53 geführt wurde, sollte Informationen über deren Verbindungspersonen in Südkorea telefonisch an seinen Auftraggeber übermitteln.

Doch Baek spielte nicht mehr mit. Am 18. Oktober meldete er sich bei den Studenten und offenbarte sich. Diese reagierten zunächst mißtrauisch, wie Young- Sook Lee-Wallersheim von der „Unterstützergruppe für politische Gefangene in Südkorea“ aus Köln berichtet: „Inzwischen sind wir aber sicher, daß er uns nicht in eine Falle locken will.“

Der ehemalige Fabrikarbeiter wurde nach seinen eigenen Schilderungen 1992 von Angibu mit der Drohung, seinen Tbc-kranken Bruder zu verhaften, zur Mitarbeit gezwungen. Von Juli 1992 bis Ende Juli 1993 flog er fünfmal nach Japan, um dort über mutmaßliche Verbindungen zwischen einer dort ansässigen pronordkoreanischen Vereinigung und einer Studentenorganisation seines Landes Informationen zu sammeln. Der Geheimdienst, der zum damaligen Zeitpunkt öffentlich unter Druck stand, brauchte einen spektakulären Anlaß, um seine eigene Unentbehrlichkeit zu beweisen.

Kurze Zeit später war es soweit: Mit Hilfe von Heung-Young Baek, der an der Konstruktion des neuen Spionagefalls aktiv mitgewirkt hatte, wurde in Südkorea das Geschwisterpaar Kim wegen geheimdienstlicher Tätigkeit für den Norden verhaftet. Von da an ließen Baek die Schuldgefühle nicht mehr los. Noch aber war die Angst vor Repressalien zu stark. Erst in Berlin, fern von der Heimat und dem direkten Zugriff des Geheimdienstes, wagte er den Neuanfang.

Mit Unterstützung der Abgeordnetenhausfraktion von Bündnis 90/Die Grünen will er nun um politisches Asyl bitten. „Die Chancen dafür sind nicht ganz aussichtslos“, meint Fraktionsvorsitzender Wolfgang Wieland und verweist auf den Umstand, daß koreanische Oppositionelle in Deutschland seit über 20 Jahren durch den südkoreanischen Geheimdienst massiv unter Druck gesetzt werden. Berlin, wo rund 2.000 der rund 50.000 Koreaner in der Bundesrepublik leben, ist eines der Hauptziele von Angibu: 1990 wurden alle Teilnehmer eines in Berlin abgehaltenen Kongresses über die Wiedervereinigung Koreas nach ihrer Ankunft in der Heimat verhaftet.

Dasselbe Schicksal erlitt im August dieses Jahres eine Stadtverordnete aus Kwang-Ju, nachdem sie von Gesprächen mit Koreanern und Abgeordneten von der Spree zurückgekehrt war. Der Vorwurf: Sie habe 1991 in Berlin mit staatsfeindlichen Personen Kontakt aufgenommen. Die Anwesenheit von Geheimdiensten in diplomatischen Vertretungen gehört seit langem zu den internationalen Gepflogenheiten. Ein Umstand, den Heung-Young Baek bestätigte: Im Falle von Schwierigkeiten hatte ihm sein Auftraggeber das Berliner Konsulat Südkoreas empfohlen. Dort würde man sich um ihn kümmern. Heung-Young Baek aber entschied sich anders. Severin Weiland