Korrupte Systeme unter Druck setzen!

■ betr.: „Vereinte Korruption“, Eurotaz vom 8.10. 94

Treffend haben Sie gezeigt, daß Korruption kein Phänomen ist, das allein in der sogenannten Dritten Welt vorkommt, sondern genauso auch im Norden anzutreffen ist. Die Schlußfolgerung jedoch, die E. Makassu in seinem Kommentar zieht, ein Teil aller Gesellschaften funktioniere eben anders, als die geltenden Gesetze es vorschreiben und dagegen könne man nichts tun, kann so nicht akzeptiert werden.

Werden Staatsaufträge von korrupten Beamten nach „persönlichen Kriterien“ und nicht nach Effizienzgesichtspunkten verteilt, kommt es zu einer gravierenden Fehlallokation von Ressourcen, die an anderer Stelle dringend benötigt werden. Gelder für Schulen und Krankenhäuser fehlen, ökologisch unsinnige Großprojekte, wie der Bau so manches Staudamms, werden durchgeführt. Der Aufforderung von Herrn Makassu, einmal „nationalökonomisch fundiert herauszufinden, (...) welchen wirtschaftlichen Sinn Korruption hat“, sind außerdem schon etliche Ökonomen zuvorgekommen. Die sozialen Kosten einer korrupten Staatsführung sind an Ländern wie Brasilien, Indonesien oder den Philippinen deutlich zu erkennen. Das zeigt sich daran, daß korrupte Führer aufgrund der Angst vor der Offenlegung ihrer Machenschaften keine freie Presse zulassen.

Das Argument ferner, daß Politiker und hohe Beamte Geld ins Land holen, das sie für Konsumzwecke im eigenen Land verwenden und das somit die Konjunktur ankurbelt und Arbeitsplätze schafft, kann nur als Mythos bezeichnet werden. Zum ersten sind die sozialen Kosten der Korruption in jedem Fall höher als die positiven Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt. Zum anderen habe ich noch nicht davon gehört, daß das durch Korruption erlangte Geld im Lande bleibt und dort sinnvoll investiert wird. Prominente Plätze für auf diese Art angehäuftes Vermögen sind vielmehr Nummernkonten in der Schweiz, wobei das sich in Zürich befindende Marcos-Gold nur ein Beispiel unter vielen ist. Korrupte politische Systeme werden immer mehr sowohl von den Medien als auch von Justiz und Gesellschaft unter Druck gesetzt, und es finden vermehrt Demonstrationen gegen korrupte Führer statt. [...] Till Tolkemitt, Transparency

International, Berlin