Des kleinen Haustierfreundes Sünden

■ Europäische Papageienliebe sorgt für Aussterben der Arten

Berlin (taz) – Sein Schrei lockt viele Artgenossen ins Verderben. Gefesselt an einem Ast in einer Baumkrone, muß ein Graupapagei den Köder spielen. Um ihn herum haben Männer ein Gerüst aus Ästen und Leim gebaut. Jetzt warten sie, unten in einem Gebüsch versteckt, auf Beute. Nicht nur Kisten und Werkzeug gehören zu ihrem Gepäck, sondern auch ein zweiter Graupapagei mit gestutzten Flügeln. Ein Schwarm nähert sich. Vom Boden ertönt ein unmelodischer Ruf. Der Vogel im Baumwipfel antwortet, mehrere Papageien mit grauem Gefieder und rotem Schwanz lassen sich auf dem Gestänge in seiner Nachbarschaft nieder. Panisch beginnen sie zu kreischen, schlagen mit den Flügeln. Doch all das bleibt vergeblich – sie kleben fest. Die Männer holen ihre Fangvorrichtung vom Baum herunter, lösen die Tiere von den Zweigen und stopfen sie in Kartons. Bis zu zwei Wochen müssen die Papageien fortan in engen Käfigen leben, bis sie – oft über zahlreiche Umwege – ihre Reise zu den Haustierfreunden in Europa oder den USA antreten. Mehr als die Hälfte der Vögel erlebt die Ankunft in der neuen Heimat nicht – gebrochene Gliedmaßen, Nahrungsumstellung, zu lange Wartezeiten oder Fehlverladungen an den Flughäfen machen ihnen den Garaus.

32 Papageienarten akut vom Aussterben bedroht

Allein der Senegal exportierte zwischen 1983 und 1989 etwa 300.000 Papageien in die Industrieländer – davon 65 Prozent Graupapageien, die in dem westafrikanischen Land selbst gar nicht vorkommen und vorwiegend aus Gabun, Guinea und von der Elfenbeinküste stammen. Dort werden sie nicht nur mit der Leimmethode gefangen, sondern häufig auch schon wenige Tage nach dem Schlüpfen aus der Brutstätte in einer Baumhöhle geholt. Liegt sie hoch, fällen die Vogeljäger oft den ganzen Baum. Viele Tiere überleben den Sturz nicht. Mitarbeiter der britischen Environmental Investigation Agency (EIA) schätzen, daß es inzwischen nur noch 200.000 wildlebende Graupapageien gibt.

Immerhin hat der Import von Graupapageien, die als besonders sprechbegabt gelten, in den letzten Jahren in Deutschland deutlich abgenommen. Wurden in den Jahren 1989 und 1990 offiziell noch knapp 19.000 Tiere eingeführt, waren es in den zwei Folgejahren nur noch 11.000. Vor allem die Weigerung der Lufthansa seit Anfang der neunziger Jahre, Wildvögel zu transportieren, schlägt sich hier positiv nieder.

„Was aber über die berüchtigte EU-Schiene läuft, kann nicht einmal abgeschätzt werden“, dämpft Martin Hutter von der Agentur Wildtierschutz jede Euphorie. Denn registriert wird seit 1984 nur noch, was unmittelbar auf deutschen Flughäfen ankommt; der Inhalt des Lkws aus Frankreich oder Italien wird hingegen nicht erfaßt.

Papageien sind nach wie vor die weltweit am meisten gehandelten Wirbeltiere. Inzwischen sind alle 330 Arten in einem der drei CITES-Anhänge aufgeführt und unterliegen damit Handelsbeschränkungen. Für drei Mitglieder der Buntfederfamilie kam diese Maßnahme aber zu spät: Der Wunsch nach einem exotischen Wohngenossen hat ebenso zu ihrer Ausrottung beigetragen wie die Zerstörung ihres Lebensraums. 32 weitere Arten sind akut vom Aussterben bedroht. Ihr Verschwinden hinterläßt im Ökosystem eine Lücke, die das in tropischen Regenwäldern besonders fragile Gleichgewicht in unabschätzbarem Maße beeinträchtigt. Ist eine Art akut vom Aussterben bedroht oder sperren die Exportländer die Ausfuhr, so wird der Preis für die Tiere immer höher. Die Händler versuchen dann meist, ihren KundInnen eine andere Art als Verkaufsschlager anzupreisen. Doch auch der neue Verkaufshit ist oft nach wenigen Jahren bedroht. Allein 25 Vogelarten mußten seit Inkrafttreten des Washingtoner Artenschutzabkommens neu auf die Liste der Höchstgefährdeten aufgenommen werden.

Graupapageien, die auf der Liste zwei von CITES stehen, sind nach wie vor relativ preisgünstig. Um die 500 Mark kostet heute ein wild gefangenes Tier. Weitaus beliebter und teurer sind inzwischen jedoch sogenannte Handaufzuchten, die nach dem Schlüpfen nie einen Artgenossen zu Gesicht bekommen haben und sich völlig auf den Menschen fixieren. Da sie Angst vor ihresgleichen haben und mithin asexuell leben, sind von ihnen keine Nachkommen zu erwarten. „Viele Eier stammen also vermutlich aus den Herkunftsländern“, schlußfolgert Rosemarie Noeske vom Komitee gegen den Vogelmord. Annette Jensen