Gobelins ohne röhrende Hirsche

■ Wandteppich-Ausstellung im Foyer: blaue Himmel über quietschgrünen Fröschen

Blau, so blau als hätte es sämtliches Azur aus dem Meer entrissen und auf diesen Gobelin gebracht, strahlt es von der Wand herab, und zwischen all dem unendlichem Blau sitzen vier verschmitzte knallgrüne Frösche. Auf einem anderen Wandteppich tropft ein Mond große goldene Tränen auf den klarblauen Nachthimmel. Am tiefhängenden Horizont wachsen saharagelbe Moscheen und Baumminarette hinaus in den Orient. Alle diese Wundersamkeiten stellt die Handweberin Franziska Kurth zur Zeit im Foyer des Waldau-Theater aus.

„Wenn man sagt, man macht Bildweberei, denken alle an röhrende Hirsche, Jagdszenen und Ritterburgen“, lacht Franziska Kurth. In dem traditionellen Handwerk sind solche naturalistischen Muster die Regel. Hiervon sind die traumtänzerischen Märchenfiguren und vor allem die grellen Farben in den ausgestellten Tapisserien himmelweit entfernt. „Mir kann das nicht grell genug sein. Das sind Farben, die sonst kein Mensch verstrickt“, sagt Kurth. Die Farbgebung entwickelt sie spontan. Hinter dem Hochwebstuhl hängt lediglich eine orinalgroße Zeichnung des Entwurfs, auf dem sie mit Filzstift die Umrandung malt. Manchmal rennt sie aus ihrem Atelier in Berlin los, und sucht nach einem ganz bestimmten Farbton. Das sind nicht immer Wollfäden: „Seide ist sehr glänzend und farbintensiv“, sagt sie. Aber auch Baumwolle und Leinen werden verwebt, so entsteht eine lebendige Struktur im reichen Farbenmeer.

Der sanfte Übergang der Farben erinnern an Aquarellmalerei. „Es sieht aus wie gemalt“, staunt eine Besucherin. „Unvorstellbar, daß die Weberin keine malerische Ausbildung hat“, wundert sich ihre Nachbarin. Gemalt hat sie, ihre Schulhefte vollgekritzelt mit den kleinen schrägen, märchenhaft anmutenden Figuren. Doch zunächst wäre sie nie auf die Idee gekommen, diese Figuren auf Wandteppiche zu verewigen. Nach ihrer Lehre an der Webschule Siegen, webte sie zunächst Kleiderstoffe, und kleinere Teppiche. Erst FreundInnen bestärkten sie vor drei Jahren darin, die Figuren auf den Teppich zu bringen.

Eine der wiederkehrenden Figuren ist der quietschgrüne Frosch mit der obligaten Prinzenkrone zwischen den schiefen Augen. „Die Anmache in der Disco hat mich genervt. Ich dachte, diese Männer sind alle wie die Kumpels vom Frosch-König“, sagt Kurth. Die verzauberten Disco-Männer im Froschlook schauen knuddelig-selbstgefällig - ich bin's, den man lieben muß - vom Teppich herab in die Welt. Mit ihnen möchte man Hand in Hand wie Alice in der Wunderwelt die weiteren Teppichwelten begehen: Zu den kobaltblauen Kobolden, die sich an einer Baumgirlande hochhangeln, oder zu den Seenixen, die in ihren dicken Fischschwänzen auf dem Meeresgrund kichern, oder auch zu den „Bremer Stadtmusikanten im Karneval“, die sich alle in Hühner verwandelt haben. vivA

Die Ausstellung ist vor, während und nach dem Theater im Foyer des Ernst-Waldau-Theaters zu sehen (bis 3. Dezember 1994).