Sag zum Abschied leise „Weltmacht“

■ Frankreichs Mitterrand gipfelt mit Afrikas versammelten Diktatoren

Paris (taz) – Eingerahmt von drei afrikanischen Langzeitdiktatoren, die er einst zu bekämpfen gelobt hatte, eröffnet der französische Präsident François Mitterrand heute seinen letzten franko- afrikanischen Gipfel: Der Zairer Mobutu Sese Seko (29 Jahre im Amt) feiert bei der Gelegenheit sein diplomatisches Comeback nach dreijähriger internationaler Ächtung, der Gabuner Omar Bongo (27 Jahre im Amt) genoß sowieso ununterbrochen die Freundschaft der einstigen Kolonialmacht, und der Togolese Etienne Gnassingbe Eyadema (27 Jahre im Amt) hat vor kurzem erfahren, daß auch sein Land künftig wieder von Frankreich unterstützt wird.

Das einst zentrale Thema „Demokratisierung“ ist in den Hintergrund getreten. Bei dem dreitägigen Treffen mit Vertretern von 35 Ländern will Paris vor allem die Lehren aus Ruanda beleuchten und Mechanismen für künftige afrikanische Krisen erörtern. Ruanda selbst wird fehlen: Die neue Regierung des Landes ist nicht eingeladen.

Zaires Haltung gegenüber Ruanda – das Land nahm Hunderttausende von Flüchtlingen auf, unter anderem das von Frankreich gestützte ruandische Ex-Regime, und sicherte den französischen Militärs bei ihrer „Operation Türkis“ die nötige logistische und politische Unterstützung – öffnete Mobutu den Weg zurück nach Frankreich, wo er noch im vergangenen Jahr nur zu einem „Zahnarztbesuch“ einreisen durfte. Dieses Mal wurde Mobutu von Mitterrand persönlich eingeladen. Zaires neuer Premierminister Kengo wo Dondo, der Paris im Oktober besuchte, erhielt bereits Zusagen über eine künftige Wirtschaftszusammenarbeit.

Anstatt auf Mehrparteiensysteme, Menschenrechte und Wahlen setzt Frankreich in Afrika neuerdings auf Stabilität. Mitterrands Thesen von dem Gipfel in La Baule, wo er ein Jahr nach dem Fall der Berliner Mauer Wirtschaftshilfe erstmals mit Demokratisierung verknüpft hatte, sind Geschichte. Immerhin 17 der in La Boule vertretenen 22 frankophonen Länder haben zwar seither ihre Verfassungen geändert, und nur drei von ihnen haben keine Wahlen abgehalten: Zaire, Tschad und Ruanda. Doch konsequent war weder die Demokratisierung – in Ländern wie Gabun, Djibuti und Kamerun fälschten die alten Diktatoren die Wahlen, um mit neuer Legitimation oben zu bleiben – noch die französische Wirtschaftshilfe – Paris versorgte auch nach dem Gipfel von La Baule das autoritäre Regime des im April abgestürzten ruandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana weiter mit Geld, Waffen und Militärs.

Nach seinem Amtsantritt war der Sozialist Mitterrand entgegen anfänglichen Versprechungen dem Weg seiner Vorgänger treugeblieben und hatte die oft undurchsichtigen geheimdienstlichen Kanäle zu afrikanischen Diktatoren weiter gepflegt, vor allem über seinen Sohn und zeitweisen Afrika-Beauftragten Jean-Christophe Mitterrand. Zurückhaltender in dieser Hinsicht ist der konservative Premierminister Edouard Balladur, mit dem Mitterrand seit März vergangenen Jahres kohabitieren muß. Der postuliert gegenüber Afrika „Normalisierung“ und „Banalisierung“ und ließ zum Schrecken zahlreicher Regierungschefs 15 Monate vergehen, bis er sich in diesem Sommer auf seine erste – und bislang einzige – Afrika-Reise machte. Balladur war es auch, der den bisher tiefsten Einschnitt in das franko-afrikanische Idyll organisierte: Die Abwertung des CFA- Franc um 50 Prozent im vergangenen Januar, beschlossen nach Absprache mit der Weltbank. 14 afrikanische Länder, deren Währungen seit 1948 an den französischen Franc gekoppelt sind und ununterbrochen im Verhältnis 50 zu 1 gestanden hatten, waren direkt betroffen. Erklärtes Ziel war, Wirtschaftswachstum und Konkurrenzfähigkeit zu fördern. Doch zunächst sanken die Löhne, und die Preise stiegen in mehreren Ländern so dramatisch, daß es zu vereinzelten Hungerrevolten kam.

Afrika den USA und Japan überlassen will Frankreich nicht. Die französischen Militärbasen, die privilegierten Beziehungen und die Geheimkanäle sollen bleiben. Hinzu kommen soll beim Gipfel in Biarritz ein neuer Sicherheitsmechanismus – afrikanisch zwar, aber von Frankreich bei Bedarf unterstützt. Den rund 200 Millionen Frankophonen in Afrika fühlt sich Paris auf besondere Weise verbunden. Unter anderem deshalb, weil Frankreich nur noch bei ihnen die Rolle einer Weltmacht spielt. Dorothea Hahn