■ Die sudetendeutsche Großmutter ist schuld daran:
: Herr Ikea war eine braune Socke

Stockholm (taz) – In den letzten Jahren wurde viel über die sagenhaft anmutende Geschichte des Bauernjungen geschrieben, dessen Initialen für ein Stück typisches Schweden stehen: Ingvar Kamprad, Gründer von Ikea, Herr über mittlerweile 125 Möbelwarenhäuser. Bei allem, was bislang über „Mister Schweden“ verbreitet worden war, gab es eine Lücke: seinen politischen Hintergrund. Jetzt konnte die Stockholmer Tageszeitung Expressen sie schließen. Kamprad war in einer schwedischen Nazibewegung aktiv.

Was nicht weiter aufregend wäre, würde es sich um die Zeit vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges handeln. In den dreißiger und vierziger Jahren hatte Schweden eine recht aktive faschistische Bewegung, die Hitler bewunderte, schlimmsten Antisemitismus und Rassenwahn verbreitete. Was Ingvar Kamprads Fall so erstaunlich macht: aktiv wurde er erst, als der Krieg zu Ende war. Was zog den Mann, der schwedische Wohnzimmer und deutsche Studentenbuden möblierte, in den braunen Sumpf? Von Expressen in seinem Steuerwohnsitz Genf mit bislang unbekannten Dokumenten konfrontiert, war es seine Bewunderung für den schwedischen Naziführer Per Engdahl und dessen antikommunistische Weltanschauung. Über das Privatarchiv des vor einem halben Jahr 85jährig verstorbenen Per Engdahl war Expressen auf den Namen Kamprad gestoßen. Unter dem Krieg hatte Engdahl enge Kontakte mit dem Deutschland Hitlers und dem Italien Mussolinis. Seine „Neuschwedische Bewegung“, zu der dann auch Kamprad als 17jähriger 1943 stieß, träumte von einem großfaschistischen Europa. Mit dem Ende Hitlers war damit keinesfalls Schluß. Im Gegenteil: Engdahl und seine „Neuschwedische Bewegung“ wurden ein zentrales Glied in einer Kette internationaler faschistischer Bewegungen, die sich daran versuchte, rechtsextreme Gruppen in ganz Europa neu zu organisieren. 1950 fand ein Treffen in Malmö statt, das zum Ziel hatte, eine „braune Internationale“ zu gründen. Leiter faschistischer Organisationen aus ganz Europa und ehemalige SS-Offiziere nahmen teil.

Ingvar Kamprad will nicht länger als bis zu Beginn der fünfziger Jahre Kontakt zu Engdahl gehabt haben. 1949 suchte der 23jährige, der damals schon in der Möbelbranche tätig war, aus Anlaß einer Möbelmesse ein Ausstellungslokal in Stockholm und bat die „Neuschwedische Bewegung“ um eine Einquartierung in deren Räumen. „Wir warnten ihn, weil dies den Todesstoß für Ikea hätte bedeuten können“, so ein damals in der Bewegung Führender. Seit 1953 habe er sich nicht mehr für Politik interessiert, behauptet der Ikea-Boß. Von Expressen mit der Einladungsliste eines internationalen Faschistentreffens im Mai 1958 in Malmö konfrontiert, auf der unter anderem ein „Ingvar Kamprad“ auftaucht, reagiert er heftig. Expressen: „Als Kamprad die Liste sieht, wird er knallrot im Gesicht, schlägt die Hände auf den Tisch. Er sagt, daß er sich nicht an dieses Treffen erinnert.“

Der Ikea-Konzern, auf die Veröffentlichung der Expressen-Geschichte vorbereitet, reagierte ebenfalls heftig. Am Dienstag sollte allen weltweit 25.000 Ikea- Angestellten ein persönlicher, handgeschriebener Brief Kamprads ausgehändigt werden. Darin bezeichnet er seine braune Vergangenheit als Jugenddummheit und schiebt die Schuld auf seine Großmutter aus dem Sudetenland. Eine dominante Frau, die die ganze Familie, auch ihn, stark geprägt habe. Fragen, warum er bislang diese Vergangenheit so peinlich verschwiegen habe und wie lange sie wirklich dauerte, bleiben unbeantwortet. Reinhard Wolff