Unerbittlich bis zum Morgengrauen

■ Zwei Jahre „Brachial TV“ im Offenen Kanal: Das Musikmagazin für den Bremer Untergrund ist etabliert, aber mittellos/ Heute „Brachial-TV-Nacht“ im Lagerhaus

Brachial TV, das war und ist immer noch das Synonym für eine Bremer Musik- und Konzertszene, die weit weg vom sogenannten „Mainstream“ angesiedelt ist. Und so gibt sich auch ihr Kabelmedium. Chaos regiert zuweilen die Interviews, von einer strukturierten Gesprächsführung kann oft keine Rede sein. Wie auch, wenn zum Beispiel das Gespräch mit der amerikanischen Punk-Band Moving Targets in der Szene-Kneipe Lemans bis zum Morgengrauen dauert. Die Moderation ist dagegen abgeklärter geworden, allerdings schleichen sich immer kleine Seitenhiebe auf Bekannte ein. Auch das ist Lokalfernsehen.

Zwei Jahre ist es nun schon her, daß Brachial TV zum ersten Mal im Bremer Offenen Kanal im Kabelfernsehen lief. Die acht Mitglieder der Fernsehgruppe buttern immer noch viel eigenes Geld in ihr Projekt. An die tausend Mark kostet eine einstündige Sendung, manchmal dauert sie auch 15 Minuten länger. Jürgen Drews, nein, nicht der Schnulzensänger, einer der Fernsehmacher, schaut bei diesem Thema dann auch etwas gequält. Vom No-Budget-Projekt hat sich das Musikmagazin immerhin zum Low-Budget-Unternehmen entwickelt. „Aber da gab's auch nur einmal Kohle vom Bremer Filmbüro für insgesamt vier Sendungen. Die waren schon sehr skeptisch, was wir da überhaupt machen“, so Drews.

Warum machen sie also immer noch Brachial TV? Ist der hehre Anspruch, dem Bremer Independent-Publikum ein ebenso unabhängiges Fernsehmagazin zu bieten, zum Selbstzweck geworden? Da reagiert die Mitmoderatorin Vanessa Christoffers gelassen. „Das geht gar nicht. Der Anspruch von außen an uns ist gestiegen. Die Leute messen uns an unserer Anfangszeit und an Sendungen im professionellen Fernsehen. Diese Lücke sollen wir schließen.

Der technische Ablauf ist im Laufe der Zeit routinierter geworden. Nach sieben Magazinsendungen und fünf Sondersendungen ist die anfängliche Aufgeregtheit einem eingespielten Teamwork gewichen. Ist das Aku alle oder der Arm unter der Last der Kamera eingeschlafen, genügt schon ein schräger Blick um Abhilfe zu schaffen. Aber wenn im Veranstaltungsraum das Licht zu schummrig ist, dann kann das Sendekonzept noch so brachial sein. „Dann müssen wir eben die Kameras unbeweglich mitlaufenlassen. Dennoch“, so Christoffers, „wir müssen und wollen noch strukturierter arbeiten. Wir denken sogar manchmal darüber nach, professionell an die Sache heranzugehen. Natürlich wollen wir weiter ein Minderheitenprogramm machen. Basis unseres Tuns bleibt neben den regelmäßigen Konzertmitschnitten aus dem Wehrschloß und dem Schlachthof, Bremer Lokalbands bei uns im Studio ein Forum zu bieten. Und deren Musik muß schon etwas mit dem Titel unserer Sendung zu tun haben.

Inhaltlich ist die Gruppe nach wie vor vom Bremer Konzertangebot abhängig, wenngleich heute im Vorfeld viel kritischer ausgewählt wird, als noch in den Anfangszeiten. Da wurde beinahe jede Vorgruppe mitgefilmt. Die „Schmetterlinge im Bauch“, also die Liebe zum Fernsehprojekt, ist immer noch da. Vanessa Chistoffers betont aber, die Ansprüche an das Brachial-Team nicht zu hoch zu schrauben. „Wir können nicht 24 Stunden am Tag für unser Fernsehding leben. Und mit MTV oder Viva wollen wir schon gar nicht verglichen werden.“ Jürgen Francke

Heute ab 20 Uhr läuft im Lagerhauscafe die ultimative Brachial TV-Nacht mit Magazinausschnitten, unveröffentlichtem Material und jeder Menge Musik auf einer Video-Großleinwand . Der Eintritt ist frei.