Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Bartl Grill

Stell dir vor, es ist Kneipe, und alle gehen in kurzen Hosen und Kniestrümpfen hin! Tatort: Bloemfontein. Tatzeit: Freitag, 4. November, 23 Uhr (Halloween). Die Nachzucht der Buren hat sich im „Sportsmen“ zusammengerottet, im einzigen richtigen Jugendtreff im Umkreis von 200 Kilometern.

Wobei wir mit dem Begriff Jugend recht vorsichtig umgehen wollen. Die meisten Anwesenden sehen nämlich schon so aus wie ihre eigenen Großeltern. Die Mädels tragen puppenrosa Lippenstift und hellblauen Lidschatten und Rüschchen und Klöppeleien und sittsame Kleider in Pfirsich, Veilchenlila und Röschenrot, Einheitsschnitt Laura Ashley. Die Burschen bevorzugen Khaki und Barras-Oliv, Modell Adolf Kongomüller („klar, die Schwarzen fürchten mich!“). Früher hieß das „Sportsmen“ übrigens „Zola Budd“, benannt nach und betrieben von der gleichnamigen Dauerläuferin. Das schönste Kleidungsstück, das wir an diesem Abend sahen, gehört ihr: ein verschwitztes Trikot, getragen bei einer Leichtathletik-WM; es hängt in einem Glaskasten.

Ab geht die Party. Das Verhältnis zwischen Männlein und Weibl-ein beträgt ungefähr zehn zu eins. Die Umgangsformen sind recht erdig. Mann packt sich zur Begrüßung schraubstockartig an die Ohren oder am Stiernacken. Schwere Pranken krachen auf Freundesschultern. Manchmal rammt mann auch nach Art der Rugbyspieler die Schädel aneinander und grunzt. Drumherum gruppieren sich keusch und kichernd die Fräuleins. Bisweilen wird eines charmant in die Mitte der Männer gerissen und festgepflockt. Oder es wird beim Vorbeigehen kräftig in den Po gekniffen. Denn Grapscher werden in Burenkreisen nicht geahndet. Pärchen, die sich glücklich gefunden haben, krallen sich heftig aneinander. Die Musik – eine akustische Mischung aus Stampede und Steinschlag – ist nicht eindeutig zu identifizieren. Gesoffen wird ausschließlich schaumloses Bier. Die Gesprächsthemen allum: Raufball, Autos, Braai (das Grillen fetter Würste, ein gesellschaftliches Hauptereignis).

Axel N., Ko-Autor und Häftling aus Rahlstedt (169 cm), wird's im Schlagschatten der burischen Riesen ziemlich mulmig: „Hoffentlich sind die gutmütig...“ Aber auch der Autor aus Oberaudorf/Inn (178,5 cm) versucht sich unauffällig zu benehmen: keine weltoffene Europäermiene, keine falsche Bewegung, kein abschätziges Wörtchen. So stehen sie unauffällig am Tresen und staunen über das Ergebnis von dreieinhalb Jahrhunderten Inzucht. Schwarze wurden ja bekanntlich ausgeschlossen, Fremde kamen selten vorbei. Und so wuchsen die Mitglieder der weißen Herrenrasse ungekreuzt und ungemendelt zu Prachtexemplaren heran. Der Phänotypus: keine Glatze, keine Brille, buschgrasblond, stutenprall oder mastbullenschwer, nach Blankeneser Kategorien nicht gerade schön. Und helle schon gar nicht...

Der/die Bure/in hatte eben wenig Kontakt zur Außenwelt. Jetzt ist er endlich wieder hergestellt, der Kontakt. Wichtigster Vorteil, den das Ende der Apartheid brachte: Jetzt dürfen die Buren wieder auf allen Rugby-Plätzen der Welt mitprügeln. Apropos neues Südafrika: Kein Mensch mit der „falschen“ Hautfarbe hat sich ins „Sportsmen“ getraut. Schwarz war an diesem Abend nur die Nacht.