Sieben ... acht ... neun ... aus?

Gelingt ARD und ZDF der Klassenerhalt? Ein Schaukampf aus der TV-Profi-Liga  ■ Von Klaudia Brunst

Ich glaube, alles fing damit an, daß in der oberen Ecke unseres Fernsehers plötzlich eingeblendet wurde, welchen Kanal wir eingeschaltet hatten. Das fanden wir äußerst kurios, denn ich rede jetzt von einer Zeit, in der das Wort „duales System“ bestenfalls meinen konnte, daß man zwischen zwei Programmen wählen konnte.

Wer hätte damals schon geahnt, daß die Signets von ARD und ZDF den nahenden Zweikampf des guten „Öffentlich-Rechtlichen“ (diesen Begriff kannten wir natürlich auch noch nicht) gegen das böse „Privatfernsehen“ einläuten würden? Wer hätte gar behauptet, daß wir nur wenige Jahre später geradezu dankbar sein würden für dieses winzige Leuchten, das uns auf unserem Irrweg durch die vielen Kanäle signalisiert: Hier sitzen Sie in der ersten Reihe!

Denn kaum hatten vor nunmehr zehn Jahren die Privaten Sat.1 und RTL ihren Betrieb aufgenommen, veränderten sich die beiden Programme (die wir gewohnheitsmäßig auch in unserem neuen Fernsehgerät auf die Programmplätze eins und zwei einstellten) derart planlos und unberechenbar, daß bald niemand mehr seinen Sehgewohnheiten trauen wollte: Wer hätte der ARD 1984 schon eine so banale Spielshow wie „Herzblatt“ zugetraut?

Offenbar war man weder in Mainz noch in den vielen ARD- Anstalten für den dualen Wettbewerb wirklich gerüstet. Allzu sicher waren sich die alten Champions ARD und ZDF gewesen, daß wir (aus reiner Bequemlichkeit?) dort hocken bleiben würden, wo wir in Ermangelung von Alternativen schon seit Jahrzehnten saßen: in jenen beiden Reihen, die sich irgendwann aus purer Verzweiflung zur einer „ersten“ formierten, in der man Gebühren zahlt, statt Werbung zu konsumieren. Ohne die kamen die Öffentlich-Rechtlichen allerdings bald auch nicht mehr aus. Neuerdings zeigt man uns zwischen den „Heute“-Nachrichten und dem Wetterbericht noch eben schnell ein paar „Megapearls“, und die Regionalfenster der ARD heißen jetzt „Werberahmenprogramm“ – und sehen auch so aus. ARD und ZDF haben in den letzten zehn Jahren derart viele Chancen verpaßt, daß man sie gar nicht mehr alle aufzählen kann. Nach der ersten völlig verschlafenen Runde im Kampf mit den Privaten wurde zunächst das Qualitätsfernsehen“ aus Kosten- und Quotengründen aus dem Ring genommen. An seine Stelle traten unzählige (den Privaten abgeschaute) Unterhaltungsformate, die allerdings weder so schrill noch so billig sein konnten wie die der Konkurrenz. Goiing! Runde verloren! Also besann man sich (Runde drei) wieder auf alte Tugenden: Eigenproduktionen. Die aber waren (wer konnte bei ARD und ZDF schon marktwirtschaftlich rechnen?) so teuer, daß man sie sich kaum öfter als einmal im Jahr leisten konnte: Der ZDF-Vierteiler „Der große Bellheim“ (1992) kostete so viel Geld wie „Das kleine Fernsehspiel“ für ein ganzes Jahr. Macht man so ein täglich besseres Programm? Also verlegten sich ARD und ZDF (Runde vier) auf die sogenannte „Vorabendschiene“. Da, so hatte man von den Privaten gelernt, lockten üppige Werbeeinnahmen, und billiger als die große Abendunterhaltung waren die „Hagenbecks“, der „Marienhof“, „Das Briefgeheimnis“ allemal. Aber da (Runde fünf) war der Kampf fast schon verloren. Denn RTL und Sat.1 hatten mit ihren billigen Spielshows und US-Serien mittlerweile so viel Geld beiseite legen können, daß die öffentlich-rechtlichen (Schau-)Spieler nun reihenweise zu den privaten Teams wechselten: Dort zahlte man besser, und seichter als die öffentlich-rechtlichen Plots konnten die Drehbücher der Privaten auch nicht mehr werden.

Seit zehn Jahren schlagen sich ARD und ZDF so durch

So und nicht anders kommt es wohl, daß die ARD letzte Woche (Runde sechs) das Handtuch schmiß und nun den „Fahnder“, 1985 für das Regionalprogramm produziert, zur Primetime im Ersten wiederholt. Gerade zehn Monate ist es her, daß „Fahnder“ Klaus Wennemann (aus Kostengründen?) zu Sat.1 wechselte und uns seitdem dort den Pfarrer Schwarz gibt. Die ARD hatte das Nachsehen – und einen Kassenmagneten weniger. Viel Zeit bleibt den Öffentlich-Rechtlichen nicht mehr, den Klassenerhalt in der Profiliga doch noch zu sichern. Stars wie Günter Strack und Mario Adorf tragen mittlerweile den schillernden Matadorenmantel von Sat.1, Günther Jauch und Thomas Gottschalk, beide ehemals ZDF, schlagen sich schon seit längerem bei RTL durch. Pro7 macht Punkte auf einem ureigen öffentlich-rechtlichen Spielfeld: Die mehrfach ausgezeichnete amerikanische Kultserie „NYPD Blue“ beispielsweise erschien der ARD nicht sendefähig, jetzt läuft sie mit Erfolg bei der Münchner Konkurrenz. Nur Vox, der Kölner Sender, der unbedingt ein privatwirtschaftliches „Ereignisfernsehen“ à la ARD werden wollte, kopierte derart unklug die taktischen Fehler der Öffentlich-Rechtlichen, daß ARD und ZDF diese Konkurrenz nun nicht mehr fürchten müssen.

Ein, zwei Runden wird es die ARD wohl noch machen, und auch das ZDF hat noch ein paar stille Reserven. Die gilt es jetzt allerdings zu bündeln. Vielleicht müssen endlich ein paar neue Trainer her. Denn eigentlich sitzen wir doch immer noch gerne in der ersten Reihe und zahlen dafür sogar bereitwillig unsere Fernsehgebühren. Dafür allerdings erwarten wir weniger Werbeschnickschnack und mehr Programm. Wie der Hamburger Zahlkanal „premiere“, der mit seinen Qualitätsversprechen und einem werbefreien Programm durchaus erfolgreich ist, sollten sich die gebührenfinanzierten Sender ARD und ZDF, längst auch so eine Art Pay-TV, auf das letzte freie Zuschauersegment besinnen: Das zahlt nämlich tatsächlich willig für „täglich ein gutes Programm“.