HJ-Kopie nach 42 Jahren verboten

Mit Verbot der Wiking-Jugend folgte Bonns Innenminister Kanther einer Forderung Niedersachsens / Braunes Fähnlein wehrsportete regelmäßig in der Lüneburger Heide  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Stichwort Wiking-Jugend: Gegründet wurde der bundesdeutsche Nachfolger der Hitler-Jugend bereits im Jahre 1952 in Wilhelmshaven. Nur wenn sie trommelnd in ihrem – den Braunhemden ähnelnden – Outfit an Nazi-Aufmärschen teilnahm, nahm die Öffentlichkeit bisweilen Notiz von der Organisation, die bundesweit zuletzt etwa 400 überwiegend erwachsene Mitglieder zählte. Alljährliche Probleme bereitete der Klub für die Kinder der Altnazis allerdings dem niedersächsischen Innenminister, auf den letzlich auch das jetzt von Manfred Kanther (CDU) in Bonn verhängte Verbot zurückgeht. Regelmäßig zu Pfingsten veranstaltete die Wiking-Jugend in der Heide nahe Celle die „Tage volkstreuer Jugend“, für die sie im kleinen Ort Hetendorf eine von dem Hamburger Neonazi Jürgen Rieger geleitete Tagungsstätte nutzte. Alljährlich sah sich das Innenministerium in Hannover mit der Forderung nach dem Verbot dieses „Faschistentreffens“ konfrontiert. Schließlich waren die Nazi-Tage in Hetendorf auch immer mit öffentlichen Aufmärschen der Wiking- Jugend und „Wehrsportübungen“ verbunden.

Beinahe 42 Jahre nach der Gründung der Winking-Jugend hat der Bundesinnenminister jetzt festgestellt, daß deren Organisationszwecke mit denen der „Hitlerjugend weitgehend identisch sind“. Die Wiking-Jugend orientiere sich auch an deren Sprachgebrauch und äußeren Formen.

Der niedersächsische Innenminister hat bereits die 39. „Tage volkstreuer Jugend“ genutzt, um das Verbot vorzubereiten. „Das diesjährige Pfingsttreffen ist durch die niedersächsische Polizei umfassend und beweiskräftig dokumentiert worden“, schrieb Landesinnenminister Gerhard Glogowski im Juli an seinen Bonner Kollegen Kanther und fügte dem Brief, der ein bundesweites Verbot verlangte, die entsprechenden Video- und Fotoaufnahmen des letzten martialischen Aufmarsches bei.

Daß man sich innerhalb der Wiking-Jugend mit „Nordland Heil!“ oder „Heil Euch!“ zu begrüßen pflegte, daß die Mitglieder je nach Geschlecht „Pimpfe“ oder „Jungmädel“ genannt wurden, daß die Funktionäre wie bei der HJ „Unterführer“ oder „Führer“ hießen – das alles war auch ohne die niedersächsischen Videoaufnahmen seit Jahrzehnten bekannt gewesen. In der Verbotsverfügung wird eine Ausgabe der Zeitschrift Wikinger aus dem Jahre 1991 mit dem Satz zitiert: „Zehntausende Juden werden für eine weitere Überfremdung unseres Volkes sorgen.“ Die „weltanschauliche“ Grundlage der Nazi-Jugend illustriert der Bundesinnenminister mit Zitaten wie: „Zurückdrängung der Fremdrassigen und Reinerhaltung unserer Rassenfamilie“ oder: „Verhinderung der Vermehrung von Minderwertigen“. Zumindest für die Nazi- Gegner in der Lüneburger Heide wie etwa den „Celler Antifaschistischen Arbeitskreis“ ist das alles nicht neu. Seit Jahren machen sie darauf aufmerksam, daß sich in der Tagungsstätte in Hetendorf nicht nur die Wiking-Jugend, sondern auch diverse andere nordisch-rassistische Vereinigungen regelmäßig treffen. Deshalb ist der Nazi- Spuk in Hetendorf wohl auch längst noch nicht zu Ende. Nur eines konnte das niedersächsische Innenministerium gestern versichern: „Das nächste Treffen wird im Saale stattfinden müssen, jeder Aufmarsch wird sofort verboten.“