Reise ins Innere des Bauches

In alternativen Geburtsvorbereitungskursen können Schwangere Kontakt zum ungeborenen Kind aufnehmen / Beschwerden werden gelindert  ■ Von Anja Dilk

Es ist dunkel und eng. Doch die Wände sind weich und dehnbar. „Geh weiter in deinen Bauch hinein“, fordert eine ruhige, warme Stimme aus der Welt dort draußen. Die Frau auf der Liege zieht die Wolldecke höher. „Ich blick' da jetzt nicht durch, ich mein', was kann ich denn tun, das Kind wird doch erst später geboren.“ Ihre Lippen verziehen sich zu einem verlegenen Lächeln. „Das ist ein Angebot an dein ungeborenes Kind“, sagt die Stimme. Die Enge wird weiter, irgendwo ist ein wenig Licht in dem Raum. Es ist, als wären da zusammengekniffene Augen, ein verknautschtes Gesicht. Eine innere Reise zum werdenden Kind. Alles Einbildung?

„Man kann lernen, seinen Impulsen zu trauen“, meint Dorothea von Stumpfeldt. Seit zwei Jahren gibt die praktische Ärztin Kurse zur Geburtsvorbereitung der anderen Art. „Ob es nun Einbildung ist oder nicht, ist gar nicht so entscheidend. Es geht nicht unbedingt um das Kind als Person, sondern letztlich um die Auseinandersetzung mit sich selbst, mit seiner eigenen Idee von dem Kind.“

Dorothea Stumpfeldt versteht ihre Sitzungen als Ergänzung zu den herkömmlichen Geburtsvorbereitungskursen. Indem sie Frauen hilft, sich dem Kind gefühlsmäßig zu nähern, will sie die Schwangeren auf die Situation der Geburt vorbereiten. „Wenn die Frauen erleben, daß das Kind ein eigenes Bewußtsein hat, bewältigen die meisten ihre Ängste um Geburt und Schwangerschaft leichter.“ Die Kontaktaufnahme mit dem Kind vermittelt vielen Frauen vor allem das Gefühl, mit der Geburt nicht mehr allein zu sein, sondern sie gemeinsam mit dem Kind durchzustehen.

Ein samtbezogenes Sofa, Vasen mit bunten Blumen auf dem grauen Veloursteppich, keine Bilder hängen an der Wand. Denn hier sollen die Besucher ganz die inneren Bilder auf sich wirken lassen. Mit ruhigen Worten versetzt Stumpfeldt die Frauen in eine Art prähypnotischen Zustand, der den Zugang zu anderen Bewußtseinsebenen öffnen soll. Die Schwangeren werden nicht etwa in eine bestimmte Richtung gelenkt, denn sie sollen ihre eigenen Erfahrungen machen. „Die Erlebnisse ähneln sich aber häufig“, erzählt Stumpfeldt, „viele sehen sich im Wasser mit dem Kind. Zunächst ist es ein Ozean, der sich zum Delta verjüngt, zu einem Fluß wird, bis die Mutter zum Kind sagt, da komme ich nicht durch. Ermutigt von den Worten des Kindes, sich nicht so anzustellen, finden sich beide dann plötzlich auf einer Wiese wieder.“

Nicht alle haben derartige Erlebnisse. „Es hängt auch davon ab, wie weit jemand bereit ist, sich darauf einzulassen“, glaubt Lisa Fehrenbach, die seit 1977 als Hebamme arbeitet. Jasmin hat gerade ihre erste Sitzung hinter sich gebracht. Auch wenn sie sich den Kontakt konkreter vorgestellt hatte, ist sie nicht enttäuscht. Sie hat während der Sitzung einen Druck im Bauch gespürt, der auf dem Kind lastet. Wenn der Druck in ihrem Bauch nicht aufhöre, werde sich das Baby beschweren, glaubt sie gehört zu haben. Sie interpretiert das als Hinweis, entspannter mit der Geburtsituation umzugehen. Für die 41jährige, die bereits zwei Fehlgeburten hinter sich hat, ein wichtiges Erlebnis. „Jetzt habe ich jetzt etwas“, meint Jasmin, „woran ich anknüpfen kann.“

Die entspanntere Haltung zur Geburt kann nach den Erfahrungen von Stumpfeldt sogar Schwangerschaftsbeschwerden lindern helfen. Bei einigen Frauen verschwanden nach ein bis zwei Sitzungen Rückenschmerzen oder Übelkeit. Die meisten haben auch sehr unproblematische Geburten. Ob dies nun an der alternativen Geburtsvorbereitung liegt, läßt sich kaum sagen. Die Hebamme Lisa Fehrenbach kann sich das durchaus vorstellen. „Denn wer auf diese Weise eine engere gefühlsmäßige Bindung zu seinem Kind aufgebaut hat, ist bei der Geburt zielgerichteter, aktiver.“

Fehrenbach selbst bietet Atem- und Bewegungskurse für Schwangere an. Dort lernen sie, ihren Körper, den wachsenden Bauch bewußt wahrzunehmen. Sie üben, sich mit dickem Bauch locker zu bewegen, eine wichtige Vorbereitung auf die Geburt. Auch hier geht es darum, sich nach innen zu wenden und zu erleben, was im Körper vor sich geht. Damit die Schwangere der Geburt locker entgegensehen kann.