Auf dem Weg zum Selbst entschweben

Meditation beim Trommeln afrikanischer und südamerikanischer Rhythmen immer beliebter / Manche Afrikaner bleiben kritisch, da sich Kultur nicht anziehen lasse „wie modische Socken“  ■ Von Christian Arns

Oskar Matzerath hat es vorgemacht: Kaum schlug er wütend auf seine Blechtrommel ein, da änderte sich der Zustand der Menschen in seiner Umwelt – schlagartig. Sonst zielt das Trommeln jedoch eher auf das eigene Befinden, wenn das Instrument nicht als reiner Rhythmusgeber einer Band benötigt wird. Das Interesse daran nimmt zu, ebenso das Angebot.

„Es geht darum, in andere Bewußtseinszustände zu entschweben“, erklärt Stefan Lau. Der Bewag-Mitarbeiter bietet in seiner Freizeit Kurse an, in denen er die Verbindung aus Trommeln und Meditation vermitteln möchte. Dazu bringt er seinen Schülern „einfache Rhythmen“ auf afrikanischen K'panlogo-Trommeln bei, „die sehen aus wie kleine Kongas“. Um den Alltag zu vergessen, gilt es diese Rhythmen mit verbundenen Augen vor dem Hintergrund „so 'ner hochtechnischen Geräuschkulisse“ zu spielen, so Laus Rezept. „Wenn man eine ganz monotone Sache lange macht, etwa eine halbe Stunde, und alles andere nach außen abschaltet, dann ist das eine Expedition ins eigene Unterbewußtsein.“

Das Trommeln haben ihm vor zwei Jahren Freunde beigebracht, die viel in Ghana waren. „Einige sind auch mit Frauen von da verheiratet, und ich bin selber schon mal da unten gewesen.“ Für Meditation interessiere er sich schon länger, sagt Lau, „ich habe so Trance-Tanz-Geschichten gemacht, auch mit Hintergrundmusik“.

„Die Veränderung des Bewußtseins durch Klänge, Rhythmen und Resonanzen“ verspricht die Musikschule Zehlendorf. Deren Förderkreis bemüht sich nach Aussage seines Vorstandsmitglieds Jens Bahr darum, „das Spektrum zu erweitern“. Dazu gehöre das „Rhythmus- und Klangwochenende“ mit Töm Klöwer, der Musiker, Atemtherapeut und „Spezialist für Gong-Klänge“ sei; der Kurs am nächsten Wochenende „läuft auf der Schiene ,Wege zum Selbst‘“. Wichtiges Element sei die Kombination von Klang und Stille zu körperlich wahrnehmbaren Bildern, sagt Bahr und fügt lachend hinzu: „Das heißt natürlich nicht, daß man sich hinsetzt und eine Stunde gar nichts hört.“

Einen „afrikanischen Percussion-Workshop“ bietet Horst-Lucian Becker in der Schöneberger Crellestraße an. Er bezeichnet sich als Autodidakt und war „auch schon mal in Afrika“. Ihm liegt besonders „das körperliche Erfassen von rhythmischen Überlagerungen“ am Herzen: Am letzten November-Wochenende werden die Teilnehmer daher zuerst in kleinen Schritten durch den Übungsraum laufen und „zu dieser Basisbewegung Silben sprechen“, später auch Rhythmen klatschen: „Das macht schon eine ganze Menge Schwierigkeiten.“ Erst danach greife er zu den Percussions und bringe den Interessierten „einen ganz einfachen Rhythmus aus Ghana bei“.

Daß dadurch der ganze Workshop afrikanisch sein soll, bezweifeln vor allem die, die dort herkommen: Man könne „afrikanische Kultur nicht einfach anziehen wie modische Socken“, so die Kritik senegalesischer Musiker, mit denen Siegfried Passek befreundet ist. Er selbst trommelt leidenschaftlich, „einfach weil das Spaß macht und man sich dabei unheimlich gut fühlt, aber ich würde nie behaupten, daß ich jetzt afrikanische Kultur mache“.

Nicht in Deutschland nachempfinden, sondern direkt vor Ort erleben können Interessierte die Musikfreudigkeit der Karibikinsel Barbados: Einen „afro-karibischen Tanz- und Trommelworkshop“ bietet Worldwide Business Travel (WBT) an, das Reisebüro im Frauengewerbezentrum „Weiberwirtschaft“. In den ersten beiden Dezemberwochen werden die Reisenden von Einheimischen, dem Percussionisten Rodney Grant und der Tänzerin Kim Lynette Clarke, begleitet. „Meditation sollte nicht ausgeschlossen sein“, findet Dagmar Schledermann von WBT, „aber das hat keinen esoterischen Hintergrund. Wir wollen nur Fun haben.“

Den Spaß gönnt das Frauenreisebüro auch Männern, die dort ebenfalls buchen können. Allerdings hat Schledermann die Erfahrung gemacht, daß „Tanzen und Trommeln eher auf ein weibliches Publikum zugeschnitten“ sind. Das bestätigt Jens Bahr: Auch zum Klangwochenende der Zehlendorfer Musikschule hätten sich bislang deutlich mehr Frauen angemeldet. Es würden „Teile der Seele in Schwingung gebracht, die man mit traditioneller europäischer Musik einfach nicht erreicht“, so der Pädagoge. Hier sei Musik sehr an die Melodie gebunden, die es beim Trommeln nicht gebe. „Es wird einem also der klangliche Boden unter den Füßen weggezogen. Das ist unangenehm, weil man zunächst nicht weiß, wie man sich orientieren soll.“ Zu diesem Experiment seien Frauen vielfach eher bereit.