Ökogemüse darf nur 20 Prozent mehr kosten

■ Ulrich Hamm ist Professor für Agrarwirtschaft an der Fachhochschule Neubrandenburg

taz: Noch ist die Naturkostszene eine radikale Minderheit. Haben Bioprodukte eine Chance?

Ulrich Hamm: Nach zahlreichen Repräsentativumfragen sind 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung an Ökoware interessiert.

Warum kaufen sie dann keine Ökoartikel?

Viele wissen gar nicht, wo sie Produkte aus ökologischem Landbau kaufen können. Außerdem sind die Preise im Vergleich zu konventionellen Lebensmitteln zu hoch. Die Gründe, warum Ökoware mehr kostet, sind meistens unbekannt. Zudem sind Produkte aus ökologischem Landbau nicht eindeutig im Handel identifizierbar. Da wird gefragt, ob das wirklich „bio“ ist. Hier müßte die Kommunikation erheblich verbessert werden.

Was darf es denn mehr kosten, wenn sich die Mehrheit gesund ernähren will?

Den Umfragen nach nicht mehr als 20 Prozent. Wir haben allerdings bei einer Reihe von Untersuchungen festgestellt, daß die Masse der Bevölkerung über Preise relativ wenig weiß. Die meisten haben etwa 30 bis 50 Preise gespeichert, bei den übrigen Produkten haben sie keine sehr klaren Vorstellungen. Extrembeispiele sind Frischobst und Frischgemüse: Manche wollten im Oktober Tomaten für 1,20 Mark das Kilo kaufen. Andere meinten, sie müßten dafür 6,99 Mark ausgeben. Der Preis ist also nur bei Leitprodukten wirklich entscheidend. Das sind zum Beispiel Trinkmilch und Butter.

Das Extensivierungsprogramm der EG hat bei ostdeutschen Bauern einen wahren Ökoboom ausgelöst. Kann der Biomarkt das verkraften?

Die Nachfrageseite kann genügend wachsen. Die Probleme entstehen im Absatzkanal, denn in Deutschland war lange Zeit nur der Verkauf ab Hof oder über den Naturkosthandel gut ausgebaut. Wirklich breite Verbraucherschichten anzusprechen, nämlich in den Geschäften des allgemeinen Lebensmittelhandels, hat man dagegen versäumt. In Ländern wie Dänemark, Großbritannien und neuerdings auch in der Schweiz hat ein regelrechter Ökoboom eingesetzt, seitdem dort die Produkte aus biologischem Landbau über Supermärkte abgesetzt werden. Das ist auch hier möglich. Schließlich war Deutschland in den 80er Jahren im ökologischen Landbau sogar weltweit führend.

Können Bioläden neben den Großhandelsketten überleben?

Sie haben ihre Stärken in der der Beratung oder in der Tiefe des Angebots. Dort werden sie auch – bei verstärkten Anstrengungen allerdings – ihre Kunden halten können. So wie es für andere Sparten, zum Beispiel für die Mode, nicht nur Kaufhäuser, sondern auch Boutiquen gibt. Fragen: Jantje Hannover