„Es gibt kein Loch!“

■ Regierung dementierte gestern neue Haushaltslöcher und Kürzungsabsichten

Bonn (taz) – Während die Koalitionsspitzen noch über der künftigen Ressortaufteilung brüteten, mußte sich Friedrich Bohl (CDU) gestern unverhofft der Schadensbegrenzung widmen. Die Regierung, stellte der Kanzleramtschef klar, sehe für 1996 weder ein 30-Milliarden-Loch im Bundeshaushalt, noch plane sie entsprechende Kürzungen und Subventionsabbaue. Auch Kassenwart Theo Waigel wollte sich nicht festnageln lassen: „Es gibt kein Loch. Ein Loch, das nicht vorhanden ist, lohnt nicht der Diskussion.“

Der Grund für den Ärger: Laut Zeitungsberichten hatten Experten des Kanzleramts auf eine neue gigantische Haushaltslücke hingewiesen, falls die Regierungsparteien ihre milliardenschweren Wahlkampfversprechen umsetzen würden. In einer umfangreichen Kürzungsliste hatten die Ratgeber des Kanzlers den Abbau zahlreicher Steuervergünstigungen wie etwa die Kilometerpauschale oder Zuschläge für Sonntags- und Nachtarbeit vorgeschlagen.

Bohl räumte gestern ein, daß Mitarbeiter seines Hauses das brisante Papier verfaßt hatten. Doch dessen Bedeutung spielte er herunter. Es handle sich lediglich um einen „Informationsüberblick über die finanziellen Auswirkungen der von den verschiedensten politischen Seiten erhobenen Forderungen“, so die offizielle Sprachregelung; die Materialsammlung habe in den Koalititionsverhandlungen keinerlei Rolle gespielt.

Während die Unterhändler von CDU, CSU und FDP die Öffentlichkeit mit nichtssagenden Allgemeinplätzen unterhalten, wandert die von den Kanzleramtsexperten erstellte Sparliste zunächst in die Schublade. Was zu Mieten, Wohnungsbau oder der Besteuerung von Renten und Arbeitslosengeld an brisanten Forderungen dort noch so lauert, könnte Oskar Lafontaine schon bald Recht geben. Es bestätige sich, so der SPD-Vize gestern, „daß die Bundesregierung die Öffentlichkeit vor der Wahl wieder einmal getäuscht“ habe. Erwin Single