Sozialhilfe-Umbau häppchenweise

Die Gemeinden fordern eine Bundesbeteiligung an den Kosten der Sozialhilfe / Die Bonner Koalition plant höhere Zuverdienst-Grenzen für Sozialhilfempfänger  ■ Von Barbara Dribbusch

Berlin (taz) – Für Bernd Schneider, Sozialdezernent beim Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB), helfen in Sachen Sozialhilfe nur grundsätzliche Änderungen. „Wir müssen“, so Schneider, „bestimmte Aufgaben der Sozialhilfe neu verteilen.“ Am 18. November will der DStGB einen entsprechenden Vorschlag für die Bundesregierung beschließen. Der Gemeindebund fordert eine „Beteiligungsquote“ des Bundes oder aber eine Verlagerung bestimmter Aufgaben auf die Bundesebene, etwa die Unterstützung Alleinerziehender.

Die Chancen für den DStGB, die hohen Sozialhilfekosten der Kommunen auf den Bund abzuwälzen, stehen allerdings schlecht. Denn auch der Bundeshaushalt ist knapp – und die von der Regierung gewünschten Einsparungen bei der Sozialhilfe lassen sich nur häppchenweise erreichen. Im Vordergrund steht der Plan der Koalition, eigenes Erwerbseinkommen der Sozialhilfeempfänger künftig nicht mehr voll, sondern nur noch anteilig anzurechnen. Bisher können nur 130 Mark anrechnungsfrei dazuverdient werden. Bis zu einem Nettoeinkommen von 1.000 Mark erhöht sich dieser Betrag auf 260 Mark, also etwa ein Viertel des Verdienstes. „Es wird überlegt, diese Grenze zu erhöhen“, so eine Sprecherin des Familienministeriums gegenüber der taz.

Empfänger von Arbeitslosengeld oder -hilfe beispielsweise können bisher schon die Hälfte ihres Zuverdienstes behalten, wenn das gesamte Einkommen nicht 80 Prozent des vorherigen Nettoentgeltes überschreitet. Auch bei einer nur teilweisen Anrechnung des Nebenverdienstes könnten die Kommunen daher Sozialhilfe sparen, denn die Leistung würde ja dennoch anteilig gekürzt.

Die Stadt Hamburg hat ihrerseits einen Versuch gestartet, Sozialhilfeempfänger verstärkt im ersten Arbeitsmarkt unterzubringen. Hier können SozialhilfeempfängerInnen neuerdings direkt zu Firmen gehen und ihre Sozialhilfe als Subvention für eine Festanstellung quasi „mitbringen“. „Damit soll beispielsweise qualifizierten Alleinerziehenden geholfen werden, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“, erläutert Christina Baumeister, Sprecherin der Hamburger Sozialsenatorin.

ArbeitgeberInnen, die eine SozialhilfeempfängerIn mit Kindern unbefristet anstellen, können so im ersten Jahr Förderbeträge von 2.000 Mark und mehr kassieren. Im zweiten Jahr sinkt die Förderung auf 50 bis 75 Prozent der Sozialhilfe und läuft dann aus. Der Clou: solche Subventionierung kostet die Stadt keinen Pfennig mehr.

Auf die Leistungsempfänger soll künftig aber auch mehr Druck ausgeübt werden. „Die Kommunen sind aufgefordert, die Arbeitswilligkeit der Sozialhilfeempfänger stärker zu prüfen“, heißt es im Familienministerium, das für Sozialhilfefragen zuständig ist. Wer sich weigert, einen zumutbaren Job anzunehmen, hat laut Gesetz keinen Anspruch auf Unterstützung. Dennoch zögern die Kommunen, Zwangsmaßnahmen zu ergreifen. Die Stadt Leipzig beispielsweise bietet Sozialhilfeempfängern in einem Beschäftigungsprogramm rund 1.000 Plätze an, zu 90 Prozent des Tariflohns. Aber nur 650 bis 700 der Stellen sind besetzt – bei rund 5.500 Haushaltsvorständen in Leipzig, die Hilfe zum Lebensunterhalt bekommen. „Bisher gibt es keine Restriktionen, aber das könnte sich ändern“, erzählt Andreas Balz, stellvertretender Betriebsleiter des städtischen Förderbetriebes „ABM-Stützpunkt“.

Die Stadt Offenbach ging weiter. Hier wurden im vergangenen Jahr 68 kinderlose Sozialhilfeempfänger zu gemeinnütziger Arbeit aufgefordert. 48 traten den Dienst an. Jenen 20 Sozialhilfeempfängern aber, die wegblieben, wurde die Sozialhilfe gestrichen. Aber auch hier sieht Bernd Schneider vom DStGB „juristische Probleme“. Rein rechtlich könnten nämlich auch diese Empfänger zumindest das zum Lebensunterhalt Unerläßliche einklagen. In der Regel kürzen die Sozialämter daher auch nur bis zu 30 Prozent vom Regelsatz. Schneider schätzt die Chancen, Sozialhilfeempfänger durch Maßnahmen freiwillig oder erzwungen in Arbeit zu bringen, denn auch eher gering ein: „Die Instrumente sind ausgereizt.“