„Das ist enttäuschend“

■ Interview mit Mehmet Kilicgedik zur geplanten „Schnupperstaatsbürgerschaft“

In der vergangenen Woche wurde Mehmet Kilicgedik zum neuen Bürgermeister von Bielefeld gewählt. Der 41jährige wurde in der kurdischen Stadt Bingöl geboren und lebt seit 17 Jahren in der ostwestfälischen Großstadt. Seit zwei Jahren hat er die deutsche Staatsbürgerschaft. Zur Zeit arbeitet er als Sozialarbeiter bei der AWO.

taz: Herr Kilicgedik, die Bonner Regierungskoalition will den in Deutschland geborenen Kindern von Immigranten und Immigrantinnen die deutsche Staatsbürgerschaft auf Zeit gewähren. Ist das ein Schritt in die richtige Richtung?

Mehmet Kilicgedik: Nein, das ist nur ein Kompromiß zur Befriedung der FDP. Vor der Wahl haben die Liberalen die doppelte Staatsbürgerschaft selbst in türkischen Tageszeitungen versprochen. Die jetzige Vereinbarung ist sehr enttäuschend. Wir brauchen eine doppelte Staatsbürgerschaft gerade für Menschen über 18 Jahre. Dazu müssen bilaterale Vereinbarungen zwischen der deutschen und der türkischen Regierung, zum Beispiel über die Fragen des Wehrdienstes, kommen.

Bringt das Vorhaben denn vielleicht für die Kinder etwas?

Ich glaube kaum. Denn außer dem Wegfall der Visumspflicht bei Auslandsreisen ändert sich für die Kinder von Immigranten doch nichts. Sehen Sie, um etwas positiv verändern zu können, müssen die ausländischen Menschen die Möglichkeit haben, sich als politische Macht darzustellen. Solange die Eltern, weil sie kein Wahlrecht haben, nichts mitentscheiden dürfen, hilft es wenig, wenn die Kinder in den Schulen die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Auf das, was in den Schulen oder im sozialen Bereich geschieht, haben die Eltern keinen Einfluß. Deshalb können die Politiker die Interessen der ausländischen Menschen auch weiter ignorieren.

Wie würden Sie die vorgesehene Regelung beurteilen, wenn damit gleichzeitig die Rechtsstellung der Eltern – zum Beispiel bei Abschiebungen – verbessert werden könnte.

Es geht doch nicht nur darum, ob man abgeschoben werden kann oder nicht, sondern es kommt doch darauf an, die Ausgrenzung von Menschen aus dem politischen und sozialen Prozeß zu beenden, die hier seit 20 oder 30 Jahren leben. Diese Ausgrenzung wird nicht durch eine Staatsangehörigkeit bis zum 18. Lebensjahr beendet.

Hätte der Koalitionsvorschlag Ihnen persönlich in irgend einer Weise geholfen?

Nein, überhaupt nicht. Interview: Walter Jakobs