Anschluß unter dieser Nummer

■ Erste Szene-Single-Fete: Massen suchen die Zweisamkeit Von Marco Carini

„Fisch sucht Fahrrad - Die Fete mit der Nummer“. Ein Termin, den sich viele Singles in ihrem Kalender rot angestrichen hatten. Die „Szene“, nach eigenem Bekunden „Hamburgs erste Stadtzeitschrift“, hatte ihre partnerInlosen LeserInnen am Montag ins Tivoli zur ersten Kennenlern-Fete geladen. Und die Massen strömten: Bereits kurz nach Party-Beginn herrscht eine Drängelenge, die Körper-Kontakt zum Selbstgänger werden läßt.

Junge Hüpfer und alte Hasen, Pumps und Birkenstock, Kravatten und zwei Knöpfe zu weit geöffnete Hemden schieben sich einträchtig durch die Gänge. Die Mehrheit stellen an diesem Abend aber Oberlippenbärte und blonde Dauerwellen. Kommentar eines Szene-Mitarbeiters: „O Gott, so sehen also unsere Leser aus“.

Damit auch jeder Fisch zum passenden Fahrrad kommt, erhält die BesucherIn einen selbstklebenden Button, auf dem die Nummer der Kontaktanzeige aus der letzten Szene zu notieren ist, die ihm/ihr am besten gefallen hat. Die InserentInnen können inkognito blei–ben, sich in Ruhe umschauen und bei Bedarf den ersten Schritt tun.

Doch viele suchen nicht nur nach einer flotten Nummer: Manche Gäste sind mit Zahlen-Buttons beklebt wie eine Litfaßsäule. Der Breitbandgeschmack kennt keine Grenzen: Da ist der Mitdreißiger mit den strähnigen Haaren, dessen persönliches Zahlenlotto verrät, daß er sich für einen „selbstbewußten, dominanten Vamp“ ebenso begeistern kann wie für die „einfühlsame, sensible Buchhändlerin“.

Wer statt mit dickem Filzer nur mit einem altersschwachen Bleistift die Nummer seiner Wahl notiert hat, besitzt kaum Chancen, im Schummerlicht ausgespäht zu werden. Besonders auf der Tanzfläche wird das Zahlenlesen zur Qual: „Wie soll ich das denn erkennen können“, klagt ein bebrillter Tänzer entnervt, „wenn die Dame einfach nicht stillhält.“

Und wie soll man/frau sich bloß verstehen, wenn schon der tiefere Sinn der Anzeigentexte sich oft nicht von allein erschließt. Einer 23jährigen Blondine entlockt die Annonce eines doppelt so alten Inserenten nur eine Verständnisfrage: „Was ist denn ein Altlinker?“ Die Erklärung scheint die junge Frau nicht zu befriedigen: „Nööh, das ist nix für mich“

Auch die ersten scheuen Kontaktaufnahmen sind nicht immer von Erfolg gekrönt. Etwa die Bemühungen des Endzwanzigers, der der Dame seiner Wahl nach zweiminütigem Kennenlern-Gespräch uneigennützig anbietet: „Du kannst gern bei mir einziehen.“ Spröde Antwort der so Umworbenen: „Sei mir nicht bös, aber ich hab –ne Eigentumswohnung in Eppendorf.“

Doch keine Hürde ist so hoch, daß sie die Singles auf ihrem Weg in eine zweisame Zukunft ernsthaft stoppen könnte. Zu vorgerückter Stunde werden im Tivoli-Foyer eifrig Telefonnummern ausgetauscht. Und vor dem Eingang gewähren die ersten Pärchen dem rasenden Reporter vom NDR bereitwillig Einblicke in ihr noch junges gemeinsames Intimleben.

Den schwersten Stand in der Horde der Suchenden aber haben diejenigen Partygäste, die statt zum Baggern nur zum Tanzen gekommen sind. So wird manch Nummern-Button zum Stop-Schild zweckentfremdet: „Bin kein Single“, läßt eine schwarzhaarige Schönheit ihren Sticker sprechen. Auch ein smarter, wasserstoffblonder Jüngling, der in der Tivoli-Gaderobe jobbt, sieht sich bald genötigt, zum Sticker zu greifen: „Ich will wirklich nur hier arbeiten.“ Eindeutig die Button-Botschaft eines Dreißigjährigen an die Damenwelt: „Mich kriegt keine!“