piwik no script img

Babysitten gegen Tapezieren

Kein Geld? Kein Problem! Das „Kreuzberger Talente Projekt“ bietet ab Januar kommenden Jahres nachbarschaftliche Hilfe im Tauschring  ■ Von Elke Eckert

Die Idee entstand vor zehn Jahren in Kanada, aber eigentlich ist sie so alt wie die Menschheit und stammt aus der Zeit, als es noch kein Geld gab: Tauschen. In Kreuzberg möchte vom kommenden Jahr an die Gruppe „Kreuzberger Talente Projekt“ auf die Idee zurückgreifen und einen Tauschring gründen. Die Sache, so die Initiatorin Klara Brendle, „ist so einfach, daß man gar nicht darauf kommt“. Ein Gruppe von Menschen schließt sich zusammen und gibt sich eine Organisationsform, zum Beispiel einen Verein. Daraufhin gründet man eine „Bank“ und findet eine „Währung“. Als Namen für die Währung schlug die gelernte Volkswirtin der Einfachheit halber erst einmal den „Kreuzer“ vor. Im Gegensatz zum normalen Geld existiert er aber nur als Verrechnungseinheit auf den Konten der Mitglieder der Gruppe. In der gruppeneigenen Zeitung sollen die Mitglieder dann veröffentlichen, welche Arten von Waren oder Dienstleistungen sie anbieten oder suchen und in wieviel Kreuzern das Geschäft entlohnt werden soll.

Der Phantasie sind bei dieser Art von Geschäften keine Grenzen gesetzt. Vom Babysitten über Autoverleih bis hin zum Tapezieren kann jeder seine Fähigkeiten anbieten. Das Projekt wurde in Kanada initiiert, um die Rezession abzufangen. Menschen, die arbeitslos sind oder wenig Geld verdienen, können so mit Nachbarschaftshilfe sich Dinge leisten, für die sie sonst kein Geld haben.

Der Tauschring ist, wie sein Name schon sagt, aber kein direktes Tauschgeschäft zwischen zwei Leuten, insofern unterscheidet er sich vom archaischen Handel in den Anfängen der Menschheit. Die beiden TauschpartnerInnen legen zu Anfang fest, wieviele Kreuzer für die Ware oder die Dienstleistung gelohnt werden. Also beispielsweise 15 Verrechnungseinheiten für eine Stunde Babysitten. Die „Kreuzer“ werden auf dem Konto des Helfers aufgerechnet, beim „Arbeitgeber“ vom Konto abgezogen. Dafür kann der Arbeitgeber aber selbst eine andere Dienstleistung anbieten, so daß sein Kontostand wieder steigt.

Klara Brendle sieht große Vorteile in der Idee, die in Großbritannien schon in über 200 Lets-Organisationen (Local Exchange Trading System) erfolgreich betrieben wird. Sie möchte die Zusammenarbeit unter den Menschen, besonders im nachbarschaftlichen Bereich, wieder fördern. Menschen, die sich sonst nur zufällig in ihrer Straße begegnen, lernen sich so kennen. Die Auswirkungen der Rezession könnten, so Brendle, „mit der lokalen Struktur aufgefangen werden“. Und die Leute lernten wieder den wirklichen Wert der Dinge schätzen und nicht nur, „wieviel Geld etwas kostet“.

Planungstreffen des Tauschrings: Montag, 28.11. um 18 Uhr im Nachbarschaftsheim Urbanstraße 21.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen