■ Schweden: Gymnasium installiert Handlesemaschine
: High-Tech gegen Schwarzesser

Stockholm (taz) – SchülerInnen und Personal des Gymnasiums im westschwedischen Falkenberg müssen seit gestern Hand auflegen, wenn sie sich ihr gewohntes Schulmittagessen holen wollen. Die Kontrolle der SchülerInnen- und LehrerInnenhände soll das Unwesen des dort offenbar weitverbreiteten Schwarzessens bekämpfen.

In den letzten Wochen mußten alle 1.200 SchülerInnen und sonstigen Eßberechtigten ihren Handabdruck an einem Handlinien lesenden „Dator“ abgeben. Der hat seine Mikrochips nun mit allen Händen voll und wird der angeschlossenen automatischen Tellerausgabemaschine in Zukunft nur dann das Herausrücken eines Tellers – der wiederum die Entgegennahme einer Essensportion ermöglicht – genehmigen, wenn sich ihm eine berechtigte Hand genähert hat. Das Handauflegen zur Vermeidung unzulässigen Bauchfüllens ist das Kopfprodukt einer Firma aus Göteborg, die für den Fall, daß die Musteranlage in Falkenberg funktioniert, weltweit in den Markt der von SchwarzesserInnen heimgesuchten Mensen und Kantinen drängen will.

Nichts hatte in Falkenberg bislang geholfen, das Problem der GratisesserInnen in den Griff zu bekommen. Was in der Vergangenheit dazu geführt hatte, daß sich nicht nur Unberechtigte den Bauch vollschlugen, sondern auch für berechtigte EsserInnen am Ende der Warteschlange plötzlich keiner der genau abgezählten Hamburger und Pfannkuchen übrig war. Mit Coupons wurde es versucht, mit persönlichen Codes, mit Ausweiskontrollen – ohne Erfolg. „Es wurde letztendlich eine Frage des Arbeitsmilieus“, berichtet Märit Ivarsson, Kostbeauftragte des Jugendamts der Stadt Falkenberg: „Das Personal hat sich zu Recht geweigert, im Essenssaal ständig zu kontrollieren, ob da jemand berechtigt aß oder schwarz.“

Nun wird also auf ein scannerartiges Gerät handaufgelegt, dazu muß der Hungrige einen persönlichen Code eintippen und ist dann darauf angewiesen, daß der Dator seine Hand wiedererkennt – sonst gibt's keinen Teller aus dem Automaten. Das System kann im übrigen dadurch ergänzt werden, daß gleichzeitig eine Überprüfung im persönlichen Couponkonto des Essensuchenden stattfindet, um zu prüfen, ob sich dort noch genug Geld für die gewünschte Mahlzeit befindet. Falls nicht, gibt es Tellerverweigerung und vor dem Essen steht erst der Gang zur Kasse.

Angeblich habe es keine Bedenken von wegen Handdatenschutz gegeben, bericht Märit Ivarsson. Die gleichzeitig aber zugibt, daß sich rund 30 SchülerInnen bislang nicht handmäßig haben erfassen lassen. Ein organisierter Widerstand sei hinter dieser Gruppe von Handscheuen nicht zu vermuten: „Vielleicht waren sie krank oder haben es verschlampt. Weder vom Personal noch von der Schülervertretung hat es irgendwelche Einwände gegeben.“ Die Kosten der automatischen Handverlesung beziffert die kommunale Kostbeauftragte auf runde 300.000 Kronen (etwa 65.000 DM). Durch verminderten Verwaltungsaufwand und die erhoffte handfeste Beendigung jeglichen Schwarzessens will die Kommune das investierte Geld in drei Jahren wieder hereingeholt haben. Wie auf den Schulgängen des Falkenberger Gymnasiums zu hören war, wird aber schon an einem Handstreich gearbeitet. An die Stelle des bisherigen Schwarzhandels mit Coupons und Essensausweisen könnte bald ein neues Gschäft treten: das des Handels mit Tellern. Diese unter Jacke und Mantel an der datengesteuerten Handlesetellerausgabemaschine vorbei und nach der Speisung wieder herausgeschmuggelt, übersteigen die Kontrollkapazität der Mikrochips. Reinhard Wolff